Entscheidungsstichwort (Thema)
Begleiteter Umgang für einen Elternteil trotz Misslingens des Beziehungsaufbaus zu seinem Kind während der Umgangsbegleitung
Leitsatz (amtlich)
Zum Umgangsrecht eines erziehungsungeeigneten Elternteils, dem es bisher trotz vielfacher begleiteter Umgangskontakte nicht gelungen ist, eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen.
Normenkette
BGB § 1684
Verfahrensgang
AG Warendorf (Beschluss vom 29.09.2010; Aktenzeichen 9F 134/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 29.9.2010 ver-kündete Beschl. des AGs - Familiengericht - Warendorf dahinge-hend teilweise abgeändert, dass der begleitete Umgang des Antragstellers mit dem Kind L2, geboren am 13.1.2007, monatlich ausgeübt werden kann. Im Übrigen verbleibt es bei den Regelungen des angefochtenen Beschlusses.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der antragstellende Kindesvater und das beteiligte Jugendamt streiten vorliegend darüber, in welchem Umfange dem Kindesvater ein Umgangsrecht mit seinem in einer Pflegefamilie lebenden Kind L2 einzuräumen ist.
Der am 13.03.1976 geborene Antragsteller ist Vater des am 13.01.2007 außerhalb einer Ehe geborenen Kindes L2. Er ist nigerianischer Staatsangehöriger, lebte zuletzt in Gabun und flüchtete im September 2000 nach Deutschland, wo er Asyl beantragte. Mutter des Kindes ist die am 21.12.1963 geborene Frau L, die auch allein sorgeberechtigt für dieses Kind war. Diese stand auf Grund einer eigenen geistigen Behinderung unter Betreuung und hat außer dem hier betroffenen Kind 6 weitere Kinder geboren. Auf Anregung des Jugendamtes des Kreises X vom 12.2.2007 wurde vom AG Warendorf ein Verfahren zum Entzug der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB gegen die Kindesmutter eingeleitet. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wies das AG mit Beschl. v. 7.1.2008 den Antrag auf Entziehung des Sorgerechtes zurück.
Hiergegen legte der Kindesvater von L2 Beschwerde zum Senat ein, mit der er die Entziehung des Sorgerechtes der Kindesmutter sowie die Übertragung des alleinigen Sorgerechtes auf sich selbst verfolgte. Das beteiligte Jugendamt legte ebenfalls Beschwerde ein, mit der es die Entziehung des Sorgerechtes der Kindesmutter und dessen Übertragung auf das Jugendamt als Vormund verfolgte. Mit Beschl. v. 8.6.2008 entzog der Senat der Kindesmutter unter Zurückweisung der Beschwerde des Kindesvaters das Sorgerecht für L2 und übertrug dieses auf das Jugendamt des Kreises X als Vormund. Hierzu führte der Senat aus, es bestünden Zweifel daran, ob der Kindesvater angesichts seines bislang nach wie vor ungeklärten ausländerrechtlichen Statusses die für die positive Entwicklung eines Kindes erforderliche Kontinuität in der Betreuung und Erziehung L2s, die er bislang lediglich in Form von Umgangskontakten über wenige Stunden am Tag ausgeübt habe, auf Dauer sicherstellen könne. Vor dem Hintergrund des gesteigerten Erziehungs- und Betreuungsbedarfs des Kindes und der Tatsache, dass sich dieses derzeit im prägenden Kindesalter befinde, halte der Senat eine Übertragung des elterlichen Sorgerechtes auf den Kindesvater dem Kindeswohl nicht dienlich, zumal jener eine eigene Integration in das Leben der Bundesrepublik Deutschland bislang trotz eines bereits achtjährigen Aufenthaltes nicht vollzogen habe.
Seit dem 4.7.2008 lebt L2 in einer Bereitschaftspflegefamilie, wobei das Pflegeverhältnis inzwischen in eine Dauerpflege umgewandelt wurde.
Gegen die Entsch. des Senats hat der Antragsteller erfolgreich Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Verfassungsgericht hat beanstandet, dass der Senat die Vorschrift des § 1680 Abs. 3 iVm. Abs. 2 S. 2 BGB nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 GG verfassungswidrig ausgelegt habe; diese Bestimmung sei vielmehr dahingehend auszulegen, dass eine Sorgerechtsübertragung auf den Vater regelmäßig schon dann dem Kindeswohl diene, wenn er - wie vorliegend - über einen längeren Zeitraum die elterliche Sorge, die ursprünglich der Kindesmutter allein zugestanden habe, in tatsächlicher Hinsicht in Form von Umgangskontakten wahrgenommen habe. Etwas anderes gelte nur dann, wenn konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen würden, wobei - anders als im Rahmen der Eingriffsschwelle des § 1666 BGB - eine Kindeswohlgefährdung insoweit nicht erforderlich sei, vielmehr schon weniger gewichtige Nachteile für das Kind seine widersprechenden Interessen begründen und damit einer Sorgerechtsübertragung entgegenstehen könnten.
Der nach der Entsch. des Bundesverfassungsgerichts erneut mit dem Verfahren befasste Senat hat den Sachverständigen I mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater Kindesinteressen entge...