Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 173/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 115. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 20.12.2016 abgeändert.
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen den Sachverständigen Dr. X wird für begründet erklärt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.011,63 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Bestrahlungstherapie im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.07.2016 den Sachverständigen Dr. X mit der Erstattung eines Gutachtens zu den Fragen der Notwendigkeit der konkreten Behandlung des Klägers mit der Intensitätsmodulierten Radio- und Strahlentherapie (IMRT) und der Abrechenbarkeit analog Ziffer 5855 GOÄ beauftragt.
Der Beklagte hat den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies damit begründet, dass der Sachverständige selbst in anderer Sache dem Beklagten gegenüber in der streitgegenständlichen Weise abgerechnet habe und hierüber beim Landgericht Hagen (9 O 281/15) ein Rechtsstreit geführt wird.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gem. §§ 406, 567 ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg. Es besteht ein Ablehnungsgrund im Sinne von §§ 406, 42 ZPO, weil aus Sicht des Beklagten Grund zu der Annahme besteht, dass der Sachverständige vorliegend ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat.
1. Ein Sachverständiger kann gem. § 406 Abs. 1 ZPO aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Daher ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteilich gegenüber. Die Ablehnung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen setzt nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder dass das Gericht selbst Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit genügt vielmehr der bei dem ablehnenden Prozessbeteiligten erweckte Anschein der Parteilichkeit (BGH X ZR 52/75, NJW 1975, 1363). Maßgebend dafür ist aber die objektive Sicht einer vernünftigen Partei. Ein eigenes (auch mittelbares) wirtschaftliches Interesse des Sachverständigen an der Sache, sei es positiver Art, sei es negativer Art, z.B. in Gestalt eines Regresses, kann geeignet sein, die Besorgnis einer Befangenheit zu begründen (MüKo-ZPO/Zimmermann, 4. Aufl., § 406 Rn. 5).
2. Auf dieser Grundlage sind bei einer verständigen Betrachtung aller Tatsachen und Umstände ausreichende Gründe ersichtlich, die geeignet sind, ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen Dr. X zu rechtfertigen.
Der 32. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung vom 04.04.2016 zur Befangenheit des in dieser Sache zunächst bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Y ausgeführt, dass jedenfalls dann, wenn der Sachverständige sich selbst in einer Auseinandersetzung über die Abrechenbarkeit der den Streitgegenstand bildenden Behandlung befindet und mithin die Klärung dieser Frage in einem Rechtsstreit auch seine eigene streitige Abrechnungspraxis im Verhältnis zu dieser Partei abstrakt zum Gegenstand hat, auch bei einer vernünftigen Partei die begründete Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses des Sachverständigen am Ausgang des Rechtsstreits und die Besorgnis entstehen könne, dass der Sachverständige nicht unvoreingenommen die Begutachtung vornehmen wird.
Dieser Grundsatz, den der Senat teilt, greift auch nunmehr.
Auch der Sachverständige Dr. X hat in der streitgegenständlichen Art und Weise gegenüber einem Versicherungsnehmer der Beklagten abgerechnet. Zwar ist nichts dafür vorgetragen, dass der Sachverständige sich selbst in eine Auseinandersetzung mit dem Beklagten über die Rechtmäßigkeit seiner Abrechnung begeben hat. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem Ablehnungsverfahren bzgl. Prof. Dr. Y. Jedoch ist die Ausgangsituation vergleichbar. Denn auch der Sachverständige Dr. X hat ein Interesse daran, dass sich in der Rechtsprechung die von ihm praktizierte Abrechnungspraxis durchsetzt und der beim Landgericht Hagen rechtshängige Rechtsstreit in seinem Sinne entschieden wird. Sollte das nämlich nicht der Fall sein, wird der Versicherungsnehmer des Beklagten mit großer Wahrscheinlichkeit auch gegenüber Herrn Dr. X eine fehlende Abrechenbarkeit einwenden. Der Rechtsstreit beim Landgericht Hagen ist somit unter Umständen ein Zwischenschritt vor einem möglichen Rechtsstreit des Versicher...