Leitsatz (amtlich)

1. Die isolierte Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs als Leistungsantrag nach vorangegangenem Auskunftsverfahren ist grundsätzlich mutwillig, wenn der Leistungsanspruch im Wege der Antragserweiterung im Auskunftsverfahren hätte verfolgt werden können.

2. Verfahrenskostenhilfe ist jedoch hinsichtlich der ohnehin angefallenen Kosten zu bewilligen, wenn das Auskunftsverfahren bereits abgeschlossen ist. Ausgenommen von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sind die im vorangegangen Verfahren bewilligten und abgerechneten Kosten sowie die Mehrkosten aufgrund der aufgelaufenen Unterhaltsrückstände.

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Beschluss vom 28.07.2016; Aktenzeichen 15 F 842/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Siegen vom 28.7.2016 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an das AG - Familiengericht - Siegen zurückverwiesen.

Das Gericht erster Instanz wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht vollständig wegen Mutwillen zu versagen. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist nur insoweit mutwillig als Verfahrenskostenhilfe bereits in dem Verfahren des AG Siegen unter dem Aktenzeichen 15 F 977/16 bewilligt und abgerechnet wurde sowie Unterhaltsrückstände für die Zeit von Juli 2015 bis Juni 2016 geltend gemacht werden.

Die Beschwerdegebühr wird um 50 % ermäßigt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beteiligten schlossen am ... 1973 die Ehe, die seit dem ... 2004 rechtskräftig geschieden ist.

Die Antragstellerin machte mit Antrag vom 26.6.2015 gegen den Antragsgegner und dessen Ehefrau beim AG - Familiengericht - Siegen (Aktenzeichen 15 F 977/15) einen Auskunftsantrag über die Höhe ihres Einkommens geltend, den die Beteiligten nach Auskunftserteilung übereinstimmend für erledigt erklärten.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Verfahren gegen den Antragsgegner auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 428,25 EUR ab Juli 2016 sowie Unterhaltsrückstand in Höhe von 6.852,- EUR für die Monate März 2015 bis Juni 2016 beantragt.

Das Familiengericht hat die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei mutwillig. Die Antragstellerin hätte ihren Zahlungsanspruch als Stufenantrag gemeinsam mit dem Auskunftsbegehren oder in dem Auskunftsverfahren nach Erteilung der Auskunft im Wege der Antragserweiterung kostengünstiger geltend machen können.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde und begehrt weiterhin die Bewilligung ratenfreier Verfahrenskostenhilfe für ihren Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt an sie.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 ZPO zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde.

Sie ist - zumindest vorläufig - im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Antrag der Antragstellerin ist mutwillig im Sinne des §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 2 ZPO.

Eine Mutwilligkeit ergibt sich nicht daraus, dass die Antragstellerin ihren Unterhaltsanspruch außerhalb des Scheidungsverbunds verfolgt. Denn die Geltendmachung einer zivilprozessualen Scheidungsfolgensache außerhalb des Verbundverfahrens ist grundsätzlich nicht mutwillig im Sinne des § 114 ZPO (BGH, Beschluss vom 10.3.2005 - XII ZB 20/04 - NJW 2005, 1498).

Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist jedoch mutwillig, weil sie ihren Unterhaltsanspruch nicht im Wege der Antragserweiterung in dem Verfahren AG Siegen, Aktenzeichen 15 F 977/15 verfolgt hat.

Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist. Unabhängig von Kostenerwägungen würde eine verständige Partei zudem auch deshalb von der Erhebung einer weiteren gesonderten Klage absehen und stattdessen eine Klageerweiterung im bereits anhängigen Verfahren vorziehen, weil das mit der schon anhängigen Sache befasste Gericht bereits in den komplexen Sachverhalt eingearbeitet ist. Aus Kostengründen wird regelmäßig die Erhebung einer weiteren Klage dann als mutwillig angesehen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch im Wege der Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht werden kann (OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.12.2010 - 12 W 2270/10 - MDR 2011, 256).

Es wäre der Antragstellerin ohne weiteres möglich gewesen, den Leistungsantrag als Stufenantrag oder zumindest in dem Auskunftsverfahren im Wege der Antragserweiterung zu verfolgen. Besondere Gründe für eine neue, weitere Klage hat die Antragstellerin nicht dargetan. Insbesondere ist eine Antra...

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