Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufnahme eines auswärtigen Bewerbers in die Insolvenzverwalter-Vorauswahlliste bei Erreichbarkeit des Insolvenzgerichtsbezirks binnen einer Stunde
Leitsatz (amtlich)
1. In die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter bei einem Insolvenzgericht ist jeder Bewerber aufzunehmen, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das erstrebte Amt im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt.
2. Auch die sog. Ortsnähe kann ein mögliches Kriterium für diese Eignung darstellen.
3. Die Grenze des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts (in Nordrhein-Westfalen: Landgerichtsbezirk) ist als Abgrenzungskriterium ausreichender Ortsnähe ungeeignet.
4. Maßgebend für eine ausreichende Ortsnähe ist nicht eine in km zu bestimmende Entfernung, sondern ob der Bewerber regelmäßig innerhalb eines überschaubaren Zeitraums im Bedarfsfalle vor Ort sein kann. Dies ist jedenfalls bei einer Fahrtzeit von bis zu einer Stunde zu bejahen, wobei es auf die Fahrtzeit unter normalen Verkehrsverhältnissen vom Kanzleisitz bis zum nächstgelegenen Ort innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Insolvenzgerichts ankommt.
Normenkette
InsO § 56
Verfahrensgang
Gründe
A. Der Antragsteller, der auch Fachanwalt für Insolvenzrecht ist, ist als Rechtsanwalt und Notar in F. tätig.
Mit Schreiben vom 22.5.2007 beantragte er seine Aufnahme in die Liste der Insolvenzverwalter und Treuhänder beim AG Dortmund. In dem von ihm unterzeichneten Antragsformular gab er u.a. an, seit 11 Jahren als Insolvenz- und Konkursverwalter tätig zu sein, bereits beim AG N. als Insolvenzverwalter und Treuhänder gelistet zu sein und in den letzten 5 Jahren 111 IN-Verfahren Unternehmen, 323 IN-Verfahren natürliche Personen, 510 Verbraucherinsolvenzverfahren und 2 grenzüberschreitende Verfahren mit Bezug zum internationalem Insolvenzrecht übertragen bekommen zu haben. Die Entfernung zum Insolvenzgericht gab er mit 73 km, die Fahrtzeit mit ca. 49 Minuten an.
Mit Schreiben vom 29.10.2007 teilte das AG Dortmund - Insolvenzabteilung - dem Antragsteller mit, dass er derzeit nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen werden könne, weil er nicht im Bezirk des LG Dortmund ansässig sei. Hierbei handele es sich "im Interesse einer professionellen und optimalen Verfahrensabwicklung" um eine unabdingbare Voraussetzung.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 7.12.2007 verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter und beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten,
1. ihn in die Vorauswahlliste aufzunehmen, nach der zukünftig von den Richtern des AG E - Insolvenzgericht - Insolvenzverwalter und/oder Treuhänder bestellt werden,
2. ihn zukünftig im Rahmen der Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen, nach denen zukünftig von den Richtern des AG Dortmund - Insolvenzgericht - Insolvenzverwalter und/oder Treuhänder bestellt werden.
Er meint, dass eine kurzfristige persönliche Erreichbarkeit und eine ausreichende Präsenz beim Insolvenzgericht zwar grundsätzlich geeignete Kriterien für die Eignung eines Bewerbers i.S.d. § 56 Abs. 1 InsO sein könnten, dass es insoweit aber ausreichend sei, wenn er innerhalb einer Stunde das Insolvenzgericht und den Schuldner erreichen könne, insbesondere die entsprechenden Entfernungen unter 100 km lägen. In den vergangenen Jahren sei er schwerpunktmäßig mit Insolvenzverfahren im südlichen Bereich des LG N. beauftragt worden; ein Teil dieser Bereiche grenze unmittelbar an den Landgerichtsbezirk Dortmund. Außerdem habe er in zwei mündlichen Gesprächen darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, im Falle zukünftiger Beauftragungen ein eigenes Büro in Dortmund zu eröffnen.
B.I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 23, 24, 26 EGGVG zulässig.
Im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 3.8.2004 - 1 BvR 135/00 u. 1086/01, ZIP 2004, 1649 (m. Bespr. Wieland, ZIP 2005, 233) = NJW 2004, 2725 = NZI 2004, 574 = ZVI 2004, 470, dazu EWiR 2005, 437 - Wieland), nach der die Entscheidung des Insolvenzgerichts, ob ein Bewerber um die Bestellung als Insolvenzverwalter in den Kreis derjenigen Personen aufzunehmen ist, aus dem der Richter im Einzelfall den ihm als am ehesten nach § 56 InsO geeignet Erscheinenden auswählt, als Akt öffentlicher Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG gerichtlich überprüfbar ist, ist es in der Rechtsprechung der Obergerichte mittlerweile allgemein anerkannt, dass der richtige Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Aufnahme des Bewerbers in die sog. Vorauswahlliste der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ist (vgl. Senatsbeschl. v. 2.8.2007 - 27 VA 1/07, ZIP 2007, 1722 = ZInsO 2007, 946 = NZI 2007, 659, dazu EWiR 2008, 27 (Römermann).
Durch die Ablehnung der Aufnahme in die Vorauswahlliste ist der Antragsteller in seinen Rechten betroffen, § 24 EGGVG, weil jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt eine faire Chance erhalten muss, unter Beachtung seiner Grundrechte entsprechend seiner in § 56 Abs....