Leitsatz (amtlich)

Wird über die Ablehnung eines Einzelrichters einer Kammer fälschlicherweise (entgegen § 45 Abs. 1 ZPO) durch Beschluss eines weiteren Einzelrichters der Kammer entschieden, kann die Kammer den fehlerhaften Einzelrichterbeschluss innerhalb der Beschwerdefrist abändern und durch eine zulässige Kammerentscheidung ersetzen. Wird an dieser Kammerentscheidung das Kammermitglied mit, das zuvor zu Unrecht als Einzelrichter entschieden hat, begründet dieser Umstand nicht die Besorgnis der Befangenheit dieses Kammermitglieds.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 45, 329

 

Verfahrensgang

LG Münster (Beschluss vom 20.05.2016; Aktenzeichen 010 O 143/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Münster vom 20.05.2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht mit seiner am 23.04.2015 beim LG Düsseldorf eingegangenen Klage Ansprüche wegen Verletzung von Amtspflichten gegen das beklagte Land im Zusammenhang mit Kontenpfändungen durch die Finanzverwaltung geltend.

Mit Beschluss vom 15.07.2015 hat sich das LG Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Münster verwiesen.

In der durch Verfügung vom 31.08.2015 anberaumten mündlichen Verhandlung vom 11.12.2015 erteilte die zuständige Einzelrichterin, Richterin am LG Dr. O, einen rechtlichen Hinweis. Noch in der Sitzung beantragte der Kläger die Ablehnung der Einzelrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit.

Mit Schriftsatz vom 06.01.2016 begründete er das Ablehnungsgesuch im Wesentlichen damit, dass die Einzelrichterin den Hinweis früher habe erteilen müssen.

Mit Beschluss vom 07.01.2016 hat der Vorsitzende Richter am LG T als Einzelrichter das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Ablehnungsgesuch schon unzulässig sei, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers es im eigenen Namen eingelegt habe. Im Übrigen sei es auch unbegründet, weil eine etwaige Verspätung des Hinweises nicht auf Willkür oder eine unsachliche Einstellung der abgelehnten Richterin zurückzuführen sei. Im Übrigen sei aber auch die Hinweiserteilung gänzlich unnötig gewesen, weil der Beklagte die den Gegenstand des Hinweises bildende Thematik ausreichend schriftsätzlich vorgetragen habe.

Mit weiterem Beschluss vom 19.01.2016 hat sodann die 10. Zivilkammer in der Besetzung Vorsitzender Richter am LG T, Richter am LG Dr. I und Richterin I2 den Beschluss vom 07.01.2016 aufgehoben und eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Entscheidung getroffen.

Mit Schriftsatz vom 21.01.2016 hat sodann der Kläger die vorgenannten Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Vorsitzende Richter am LG T seinen eigenen Beschluss vom 07.01.2016 von Amts wegen aufgehoben habe, obwohl er anlässlich eines Befangenheitsverfahrens hierzu nicht befugt gewesen sei. Die Annahme, der Befangenheitsantrag gegen die Richterin am LG Dr. O sei vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in eigenem Namen gestellt worden, stelle eine willkürliche Verdrehung völlig üblicher Prozesshandlungen dar. Der verspätete Hinweis stelle sehr wohl einen Ablehnungsgrund dar, denn bei rechtzeitiger Erteilung wäre ergänzend vor der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden. Gerade dann, wenn es sich um offensichtliche Fehler handelt, sei das Gericht aufgefordert, rechtliche Hinweise zu erteilen. Die Einholung einer dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin sei nicht entbehrlich gewesen. Jedenfalls die Summe dieser Verstöße begründe einen Ablehnungsgrund.

Mit weiterem Schriftsatz vom 25.01.2016 erhob der Kläger sofortige Beschwerde sowohl gegen den Beschluss vom 07.01.2015, als auch gegen den vom 19.01.2016.

Mit Beschluss vom 20.05.2016 wies die 10. Zivilkammer in der Besetzung Vorsitzender Richter am LG Dr. U, Richter am LG Dr. M und Richter X das Ablehnungsgesuch vom 21.01.2016 zurück. Hinsichtlich der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 08.06.2016, der das LG durch Beschluss vom 13.06.2016 nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung führt der Kläger neben der Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen aus, dass nicht ausreichend gewürdigt worden sei, dass er, der Kläger, durch den Beschluss vom 07.01.2016 seinem gesetzlichen Richter entzogen worden sei. Durch den Beschluss vom 07.01.2016 habe sich der Vorsitzende Richter am LG T auch bereits eine abschließende Meinung in der Sache gebildet, so dass er zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 19.01.2016 nicht mehr unvoreingenommen gewesen sei. Der Vorsitzende habe nicht an der Beschlussfassung mitwirken dürfen. Außerdem habe die Kammer den Beschluss vom 07.01.2016 nicht als Kollegialgericht aufheben dürfen, sondern allenfalls habe dies der Vorsitzende tun können. Schließlich beinhalte die Begründung, wonach der Kläger sich mit seinen Ableh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge