Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für sofortiges Anerkenntnis eines unbegründeten oder unschlüssigen Anspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Hatte der spätere Beklagte sich vorgerichtlich zunächst gegen eine unbegründete bzw. unschlüssige Forderung verteidigt, erkennt er aber die weiterhin unbegründete bzw. unschlüssige Forderung nach Einritt der Rechtshängigkeit unter Protest gegen die Kostenlast an, ist ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

 

Normenkette

ZPO §§ 93, 114, 307

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 23.09.2005; Aktenzeichen 102 F 202/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 14.10.2005 wird der Beschluss des AG - FamG - Essen vom 23.9.2005 abgeändert.

Dem Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt S in F ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung bewilligt.

 

Gründe

I. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das FamG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zurückgewiesen.

II. Die gem. § 127 II 2, 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Der Beklagte, der nach Zustellung der Klage und des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 1.7.2005 die Klage anerkannt hat, hat sich mit diesem Anerkenntnis nicht mehr gegen die Klage verteidigt, so dass ihm grundsätzlich Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung nicht zu bewilligen ist (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 25).

Bei einem Anerkenntnis ist eine Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung nach § 114 ZPO nur dann zu bejahen, wenn die beklagte Partei keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, sofort anerkannt hat und daher gem. § 93 ZPO von den Kosten des Verfahrens freizustellen ist (vgl. OLG Naumburg v. 31.1.2000 - 14 WF 20/99, FamRZ 2001, 923; OLG Hamm v. 8.4.2002 - 4 WF 69/02, FamRZ 2003, 459; 33. ZS OLG Hamm v. 18.5.1993 - 33 W 14/93, OLGReport Hamm 1994, 22 = FamRZ 1993, 1344).

Der Beklagte hat sich vorprozessual gegen eine unberechtigte Forderung verteidigt und den entsprechenden Klageanspruch nach Rechtshängigkeit anerkannt.

Allein die Behauptung des Klägers, er beziehe Arbeitslosengeld bzw. ab dem 1.7.2005 - wie im Schriftsatz vom 1.7.2005 vorgetragen - nur noch Leistungen nach SGB II, rechtfertigt die Abänderungsklage nicht, da auch ggü. dem nicht privilegiert Volljährigen grundsätzlich eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit besteht, so dass Einkünfte auch fiktiv zugerechnet werden können (vgl. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 410,414; Finke, Unterhaltsrecht, § 6 Rz. 90).

In der Rechtsprechung ist umstritten, ob eine fehlende Veranlassung zur Klage und ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO noch vorliegen können, wenn der dem anerkannten Klageanspruch zugrunde liegende Sachvortrag nicht schlüssig ist und die beklagte Partei der Forderung zunächst widersprochen hat.

Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist der Auffassung, dass das Anerkenntnis des Beklagten es ausschließe, die Veranlassung zur Klage mit der Begründung zu verneinen, der Klageanspruch sei unzulässig oder unbegründet. Mit dem Anerkenntnis sei die Überprüfung der Begründetheit des Klagebegehrens der Überprüfung des Gerichts entzogen. Eine Veranlassung zur Klage setze nicht die Feststellung des Bestehens des später geltend gemachten Anspruchs voraus. Derjenige, der vorprozessual der nicht begründeten, dann im Prozess aber anerkannten Forderung widersprochen habe, habe auch Veranlassung zur Klage gegeben. (vgl. OLG Düsseldorf v. 12.4.1999 - 5 W 10/99, OLGReport Düsseldorf 1999, 321 = MDR 1999, 1349; OLG Hamm, - 20. ZS - JurBüro 1990, 915; OLG Schleswig, JurBüro 1982, 1570, Zöller/Herget, § 93 Rz. 6 "unschlüssige Klage").

Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Solange der Sachvortrag den Klageanspruch nicht begründet, gibt die beklagte Partei keine Veranlassung zur Klage. Eine beklagte Partei muss sich auch schon vor Klageerhebung gegen eine solche Forderung verteidigen dürfen ohne eine negative Kostenfolge befürchten zu müssen. (vgl. OLG Düsseldorf v. 23.11.1992 - 20 W 61/92, OLGReport Düsseldorf 1993, 77 = MDR 1993, 801).

Wird der sodann nach wie vor nicht schlüssig dargelegte Anspruch nach Rechtshängigkeit anerkannt, so liegt darin ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO. Eine andere Beurteilung würde zu unbilligen Ergebnissen führen. Hätte die beklagte Partei sich nämlich weiter gegen die Klage verteidigt und wäre sie unbegründet geblieben, hätte sie ebenfalls keine Kostenfolge befürchten müssen (§ 91 ZPO). Wäre das Klagebegehren während des Prozesses schlüssig geworden und hätte die beklagte Partei sodann sofort anerkannt, hätte sie ebenfalls die Kosten gem. § 93 ZPO nicht zu tragen gehabt (vgl. BGH v. 3.3.2004 - IV ZB 21/03, MDR 2004, 896 = BGHReport 2004, 844 = NJW-RR 2004, 999). Eine Partei kann sogar zunächst Verteidigungsabsicht anzeigen, sodann abwarten, ob der o.a. Mangel behoben wird und nach Behebung des Mangels ...

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