Verfahrensgang

LG Arnsberg (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen IV-2 StVK 519/18)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 08. Oktober 2019 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 05. September 2019 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30. Dezember 2019 durch nach Anhörung des Ministeriums der Justiz Nordrhein-Westfalen sowie des Betroffenen einstimmig beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen und der angefochtene Beschluss wird - mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswerts - aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene, der muslimischen Glaubens ist, verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Jahren wegen versuchten Totschlags in der JVA Werl. Angesichts nach seinem Glauben einzuhaltender Speisegebote, die insbesondere die Verwendung bzw. den Verzehr von halal behandelten bzw. hergestellten Lebensmitteln vorschreiben, beantragte er am 16. November 2019 gegenüber dem Antragsgegner, ihm die Selbstverpflegung nebst eines Selbstverpflegungszuschusses zu gewähren, da die Speisevorschriften in der JVA nicht beachtet würden, was der Antragsgegner mit Hinweis auf die Anstaltsverpflegung einschließlich gereichter Sonderkostformen, insbesondere sog. Moha-Kost, ablehnte. Mit seinem privatschriftlichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 26. November 2019 beantragte der Betroffene sodann, die Ablehnung seines Antrags auf Selbstverpflegung aufzuheben und den Antragsgegner zur Neubescheidung zu verpflichten, auch wenn er in der Vergangenheit mal ab und zu ein Auge zugedrückt habe. Diesen Antrag wies die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Ablehnung seines Antrags sei rechtmäßig erfolgt. Insbesondere habe der Betroffene keinen Anspruch auf Gestattung der Selbstverpflegung aus § 16 Abs. 1 StVollzG NRW i.V.m. Art. 4 GG, da er nach Überzeugung der Kammer auch außerhalb des Strafvollzuges nicht ausschließlich halal behandelte bzw. zubereitete Lebensmittel konsumieren würde. Zum einen sei die Einhaltung der muslimischen Speisevorschriften im christlich geprägten Inland "kaum konsequent umsetzbar", zum anderen lege der Betroffene "ganz offensichtlich" selbst "keinen außerordentlich großen Wert auf die Beachtung dieser Speisevorschriften", zumal er einige Zeit die seitens der JVA gereichte Kost konsumiert und zudem mitgeteilt habe, "mal ab und zu ein Auge zudrücken" zu wollen.

Gegen diesen ihm am 23. September 2019 zugestellten Beschluss hat der Betroffene am 08. Oktober 2019 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Werl Rechtsbeschwerde eingelegt die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Insbesondere hat er ausgeführt, er habe noch nie seitens der JVA gereichte "falsche Kost" bewusst gegessen. Wenn er bei der Kostausgabe schon mal ein Auge zugedrückt habe, heiße das lediglich, dass er sich nicht (sofort) beschwert habe.

Das Ministerium der Justiz Nordrhein-Westfalen hat unter dem 03. Dezember 2019 beantragt, die Rechtsbeschwerde mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes als unzulässig zu verwerfen. Dazu hat sich der Betroffene unter dem 20. Dezember 2019 privatschriftlich geäußert.

II.

Die gemäß § 118 Strafvollzugsgesetz des Bundes (im Weiteren: StVollzG) form- und fristgerecht eingelegte und mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde war zuzulassen.

Über die in § 116 StVollzG ausdrücklich geregelten Zulassungsgründe hinaus ist die Rechtsbeschwerde nach allgemeiner Auffassung und der ständigen Rechtsprechung des Senats auch dann zuzulassen, wenn die tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung so unzureichend sind, dass das Rechtsbeschwerdegericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG bzw. nicht überprüfen kann, ob der angefochtene Beschluss auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 zu III-1 Vollz(Ws) 527/16 m.w.N., vom 28. Oktober 2014 zu III-1 Vollz(Ws) 497/14, zitiert nach juris Rn. 4 und vom 27. September 2018 zu III-1 Vollz (Ws) 353/18 m.w.N.; vgl. auch Arloth in Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 116 Rn. 4 m.w.N.; Spaniol, in Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 7. Aufl., Teil IV § 116 StVollzG Rn. 10 und § 115 StVollzG Rn. 78, jeweils m.w.N.).

Um eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen, müssen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses die entscheidungserheblichen Tatsachen und die tragenden rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden. § 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG bestimmt deshalb, dass der Sach- und Streitstand im Beschluss jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form darzustellen ist, wobei gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG auch die Verweisung auf bei...

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