Leitsatz (amtlich)

Wenn - wie hier - das gesamte Flurstück mit einem Wegerecht belastet ist, kann gleichwohl die Ausübung auf einen begrenzten Bereich des Grundstücks infolge rechtsgeschäftllicher Festlegung oder tatsächlicher Ausübung beschränkt worden sein. Dieser Bereich muss zunächst festgestellt werden, um sodann beurteilen zu können, ob die Ausübung des Wegerechts ganz oder teilweise im Sinne von § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinträchtigt worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 10.07.2015; Aktenzeichen 3 O 242/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.07.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger ist Eigentümer des im Grundbuch von G des AG Hattingen, Blatt 286, eingetragenen Grundstücks Gemarkung G Flur 1, Flurstück 1060 (V-Straße 13 in T).

Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung G Flur 1, Flurstück 348.

Sie hat es im Rahmen einer Zwangsversteigerung im Jahre 2003 erworben.

In Abt. II lfd. Nr. 5 des klägerischen Grundstückes ist folgende Belastung eingetragen:

"Ein Wegerecht für den jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Gemarkung G

a) Flur 1 Flurstück 348 in J Blatt 25

b)...

unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 9.10.1956 eingetragen zu gleichem Range mit der Post AbT. II Nr. 6 am 28.11.1957."

Die Bewilligung des Wegerechts erfolgte aufgrund notarieller Verhandlung vom 09.10.1956 (UR-Nr. 380/1956 Notar Dr. I3, C) zwischen den damaligen Eigentümern. In der notariellen Urkunde heißt es (vgl. Bl. 104 ff d.A., 106):

"Gleichzeitig räumt der Erwerber der Grundstücke den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke Gemarkung G Flur 1 Nr. 348 und Nr. 349 das Recht ein, den über die Flurstücke Gemarkung G Flur 1 Nr. 351 und 352 führenden Weg zum Gehen und Fahren zu benutzen, damit diese von ihren Grundstücken zur Y-Straße hin- und zurückgelangen können."

Aus dem Flurstück 351 gingen später die Flurstücke 1059, 1060, 543, 545 und 546 hervor.

Auf einem Luftbild des Jahres 1954 (Anlage A 3 zur Klageschrift, Bl. 13 d.A.) ist ein von der Straße "V-Straße" kommender Weg erkennbar, welcher in einem Bogen über den südwestlich gelegenen Bereich der Flurstücke 543 und 1060 (ehemals Flurstück 351) bis hinter ein Betriebsgebäude führte und dort mit geringerer Breite bis zum südlich vom Flurstück 348 liegenden Flurstück 681 verlief, wobei an einer Stelle eine Unterbrechung zu sehen ist.

In einem weiteren Luftbild aus 1963 ist eine hinter dem Betriebsgebäude verlaufende Fortsetzung dieses Weges bis zum Flurstück 681 nicht (mehr) zu erkennen. Dort ist zudem ein an der Ortsgrenze der Flurstücke 546 und 1060 in gerader Richtung verlaufender Weg zu sehen, der bis etwa zur Höhe des auf dem Flurstück 681 stehenden Hauses führt.

Im Juli 1982 erstellte der Baustatiker Dr.-Ing. X für die Stadt T einen "Endüberwachungsbericht" für eine "Lagerplatzüberdachung" auf dem Flurstück 1060. Anfang Dezember 1982 wurde die Errichtung einer Lagerplatzüberdachung mit der Bauscheinnummer 3490 von der Stadt T abgenommen (vgl. Bl. 109 d.A.).

Durch Schreiben vom 27.01.2014 (vgl. Bl. 108 d.A.) wies der Zeuge S, der sich als Bevollmächtigter der Beklagten ausgab, darauf hin, dass eine der drei Hallen, welche sich auf dem klägerischen Flurstück 1060 befinde, die zugunsten des Beklagtengrundstücks 348 eingetragene Grunddienstbarkeit behindere.

Der Kläger hat behauptet, die Grunddienstbarkeit sei auf den zum Bewilligungszeitpunkt vorhandenen und auf dem Luftbild aus dem Jahre 1954 erkennbaren Weg beschränkt. Im Jahre 1982 sei eine Werk- und Lagerhalle auf dem belasteten Flurstück 1060 errichtet worden. Nach der Errichtung der Lagerhalle seien der Zugang und die Zufahrt zu dem begünstigten Flurstück 348 über den festgelegten Ausübungsbereich der Dienstbarkeit versperrt gewesen. Spätestens durch die Abnahme der errichteten Lagerhalle sei die zugunsten des Beklagtengrundstücks eingetragene Grunddienstbarkeit beeinträchtigt und ihre tatsächliche Ausübung unmöglich gemacht worden. Der Kläger hat deshalb die Auffassung vertreten, dass spätestens Anfang Dezember 2012 die Verjährung gemäß § 1028 BGB eingetreten sei. Der Kläger hat ferner behauptet, dass ab Dezember 1982 die Lagerhalle ununterbrochen fortbestanden habe. Zwar seien durch Bauarbeiten im September 2012 die Asbesteindeckung entfernt worden, doch bestehe die Grundkonstruktion noch bis heute fort. In der Zwischenzeit sei die Halle auch zu keinem Zeitpunkt abgebaut worden. Dies belege insbesondere das Schreiben der Beklagten vom 27.01.2014.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Löschung des zugunsten ihres Grundstücks Gemarkung G, Flur 1, Flurstück 348, in Abt. II lfd. Nr. 5 des Grundbuchs von G des AG Hattingen Blatt 286 eingetragenen Wegerechts im Rahmen der Grundbuchberichtigung zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat mit Nichtwissen bes...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge