Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Werbung mit Dumpinggebühren
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen 45 O 46/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 8.6.2004 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Antragsteller betreibt in F. eine Rechtsanwaltskanzlei. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Die Antragsgegnerin eröffnete Ende April/Anfang Mai 2004 ebenfalls in F. eine Kanzlei. Am 1.5.2004 schaltete die Antragsgegnerin in der WAZ eine Werbeanzeige.
- auf den Abdruck wurde verzichtet -
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der für das Arbeitsrecht angegebene Preisrahmen gegen §§ 49b Abs. 1 BRAO, 3 Abs. 5, 20 BRAGO verstoße. Es sei nicht gewährleistet, dass die Vergütung des Rechtsanwalts in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung, zu seiner Verantwortung und zum Haftungsrisiko stehe. Der Gebührenrahmen sei derart niedrig, dass von einem Honorar-Dumping gesprochen werden müsse. Die Beibehaltung des in der Werbung angegebenen Gebührenrahmens führe zu einem ruinösen Wettbewerb unter den Rechtsanwälten. Als Verstoß gegen bindende Entgeltregelungen sei das beanstandete Werbeverhalten zugleich auch wettbewerbswidrig.
Darüber hinaus stelle der Slogan "Kommen Sie einfach zu uns - auch samstags" eine aggressive und unzulässige Werbung um die Erteilung eines einzelnen Mandats dar.
Das LG hat durch Beschlussverfügung vom 10.5.2004 der Antragsgegnerin antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, im geschäftlichen Verkehr, in Zeitschriften, Tageszeitungen, Zeitungen oder anderen Printmedien sowie Schaufensterbeschilderungen zu werben und/oder werben zu lassen wie in der Anzeige der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 1.5.2004 und wie nachstehend wiedergegeben:
Gebührenbeispiele Erstberatung
z.B. Arbeitsrecht
Verträge, Abmahnung u.s.w., Kündigung
10 bis 50 Euro
Kommen Sie einfach zu uns - auch samstags
(Es schließt sich sodann die im Tatbestand wiedergegebene Anzeige an.)
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG durch Urteil vom 8.6.2004 wie folgt für Recht erkannt:
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr, in Zeitschriften, in Tageszeitungen, Zeitungen oder anderen Printmedien sowie Schaufensterbeschilderungen mit den Worten:
Beispiele Erstberatung
z.B. Arbeitsrecht,
Verträge, Abmahnung usw., Kündigung,
10 bis 50 Euro
zu werben und/oder werben zu lassen.
Der weiter gehende Beschluss des LG Essen vom 10.5.2004 wird aufgehoben.
Der weiter gehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 7.5.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungsbeklagte zu 9/10, der Verfügungskläger zu 1/10.
Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Antragsgegnerin der Ansicht, dass der Tenor der angegriffenen Entscheidung in mehrfacher Hinsicht unklar sei und hinsichtlich der Ordnungsmittelandrohung über das Begehren des Antragstellers hinausgehe. Das LG sei zudem über den allein maßgeblichen Streitgegenstand hinausgegangen, indem es auch auf den Gesichtspunkt eines angeblich "ruinösen Wettbewerbs" abgestellt habe. Nach der Erklärung des Antragstellers im Kammertermin habe aber nur erörtert werden dürfen, ob eine gegen die Bestimmungen der BRAGO verstoßende Gebührenvereinbarung vorliege, wenn für die Erstberatung im Arbeitsrecht 10 Euro bis 50 Euro vereinbart werden.
Auch in der Sache sei das Verfügungsbegehren begründet. Unzutreffend habe das LG gemeint, dass eine Pauschalgebührenvereinbarung unter dem Vorbehalt stünde, dass die vereinbarte Gebühr dem Leistungsumfang, dem Haftungsrisiko und der Verantwortung im Einzelfall Rechnung trage. Es habe dabei nicht berücksichtigt, dass Gebührenvereinbarungen im Vorhinein abgeschlossen würden und zu dem Zeitpunkt Aufwand und Haftungsrisiko nicht abschätzbar seien. Fehl gehe der Vorwurf des LG, die Antragsgegnerin lege willkürlich einen Gebührenrahmen fest und habe keine Standardisierung vorgenommen. Selbstverständlich orientiere sich die Bemessung der Pauschalgebühr innerhalb des Rahmens von 10 Euro bis 50 Euro an der Schwierigkeit der Erstberatung, dem Haftungsrisiko und der Verantwortung. Nicht aufgezeigt habe das LG, wie es zu seiner nicht zu teilenden Auffassung gelangt sei, die Pauschalgebühren könnten die Erstberatung im Arbeitsrecht nicht angemessen abgelten und führten zu einem ruinösen Wettbewerb. Auch aus der Entscheidung des BGH "Anwalts-Hotline" (BGH v. 26.9.2002 - I ZR 44/00, MDR 2003, 357 = BGHReport 2003, 337 = CR 2003, 424 = NJW 2003, 819) lasse sic...