Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderungseinzug durch Rechtsanwälte zum Pauschalpreis
Leitsatz (amtlich)
Das werbliche Angebot eines Rechtsanwalts, den Forderungseinzug bei Forderungen zwischen 5.000 EUR und 1,5 Mio. EUR zu einem Pauschalpreis von 75 EUR netto pro Auftrag durchzuführen - Leistungsspektrum: Mahnschreiben, telefonisches Nachfassen, Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Zwangsvollstreckungsmaßnahme - verstößt gegen § 49b BRAO und ist wettbewerbswidrig.
Wird eine Pauschalvergütung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen angeboten, ist dies mit der Regelung in § 4 Abs. 2 S. 1 und 3 RVG nur vereinbar, wenn in jedem Einzelfall das angemessene Verhältnis des Pauschalbetrages zur Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts gewahrt ist.
Das in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangene Urteil ist gem. § 542 Abs. 2 ZPO seit seiner Verkündung rechtskräftig.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; BRAO § 49b; RVG § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 14.07.2005; Aktenzeichen 84 O 41/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 14.7.2005 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 84 O 41/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit einem Werbeschreiben, mit dem die Antragsgegnerin dafür geworben hat, den professionellen Forderungseinzug Europaweit durch erfahrene Rechtsanwälte zu einem Pauschalpreis von 75 EUR pro Auftrag durchzuführen, auf Unterlassung in Anspruch. Das von der Antragsgegnerin in dem Werbeschreiben formulierte Angebot ist unstreitig in dem Sinne gemeint und wird in der Weise praktiziert, dass die im Werbeschreiben genannten Leistungen gegen eine Vergütung von 75 EUR netto und die Abtretung des auf der Grundlage der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berechneten Kostenerstattungsanspruchs des Mandanten gegen den Schuldner erbracht werden. Es gilt für maximal drei Forderungen pro Auftrag mit einer gesamten Forderungshöhe zwischen 5.000.00 EUR und 1.500.000 EUR. Der Antragsteller hält die Werbung und die beworbene Tätigkeit für wettbewerbswidrig mit der Begründung, sie verstießen gegen § 49b BRAO. Die Antragsgegnerin meint, ihr Vorgehen sei gem. § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG zulässig.
Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wie im Tenor des Urteils durch Einblendung des Werbeschreibens wiedergegeben für rechtsanwaltliche Leistungen "Forderungseinzug bei Forderungen zwischen 5.000 EUR und 1.500.000 EUR" zu einem Pauschalpreis von 75 EUR pro Auftrag zzgl. Mehrwertsteuer und Auslagen zu werben und/oder diese zu diesem Pauschalpreis auszuführen.
Zur Begründung hat es unter Anderem ausgeführt, das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin verstoße gegen §§ 49b BRAO, 4 Abs. 2 RVG und sei danach gem. § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig, weil die Pauschale von 75 EUR netto, die vom Auftraggeber nicht durch Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs erfüllt werden könne, in keinem angemessenen Verhältnis zu der rechtsanwaltlichen Leistung stehe, die der Kunde aufgrund des Werbeschreibens erwarten dürfe; entsprechendes gelte für das Verhältnis zu Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts. Der Empfänger des Werbeschreibens könne aufgrund des Inhalts des Werbeschreibens eine Überprüfung des oder der Ansprüche, die geltend gemacht werden sollen, auf ihre Schlüssigkeit und eine umfassende rechtliche Subsumtion erwarten. Dies erfordere seitens eines Rechtsanwalts die Durchsicht beim Auftraggeber vorhandener schriftlicher Unterlagen und ggf. Rückfragen bei diesem. Dazu stehe ein Vergütungsanteil von 75 EUR keineswegs mehr in einem angemessenen Verhältnis, zumal angesichts komplexerer Sachverhalte, die für Forderungen im oberen Bereich der Gegenstandswerte, für die das Angebot gelte, angenommen werden könnten. Da jeder Sachverhalt anders liege und Leistungsaufwand und Verantwortung unterschiedlich seien, verbiete sich eine von vornherein vorgenommene Pauschalierung ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelmandats ohnehin.
Mit der Berufung, mit der die Antragsgegnerin unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung begehrt, macht sie im Kern unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zum Ablauf des Forderungseinzugs bei ihr geltend, sie setze durch das beanstandete Verhalten die gem. § 4 Abs. 2 S. 2 RVG gelockerten Vorgaben für die Berechnung der Vergütung um. Sie meint, das LG habe den tatsächlichen Ablauf des Forderungseinzugs bei ihr verkannt, unter Verletzung geltenden Rechts und der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass sich eine Pauschalierung der nicht durch Abtretung zu erfüllenden Gebühr von vornherein verbiete, und zu Unrecht zur Beurteilun...