Rz. 15
Abs. 1 S. 2 statuiert für untertarifliche Vergütungen im außerforensischen Bereich eine Angemessenheitskontrolle. Danach muss eine vereinbarte Vergütung, die für die anwaltliche Tätigkeit in außergerichtlichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vorsieht, in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen. Bedeutung für die Praxis hat die Angemessenheitsklausel nicht.
Rz. 16
Anwaltliche Dumpingpreise für eine außergerichtliche Beratung, für die es keine gesetzlichen Gebührenvorschriften gibt, waren danach schon vor dem 1.7.2008 rechtlich nicht mehr zu beanstanden. Dies galt etwa für eine Erstberatung im Arbeitsrecht zum Preis von 10 bis 50 EUR oder eine Beratung zum Pauschalpreis von 20 EUR inklusive Umsatzsteuer. Auch "ab-Preise" bei einer Preisspanne von 20 bis 40 EUR konnten wettbewerbsrechtlich nicht unterbunden werden. Die entgegenstehende Rechtsprechung, die sich überwiegend auf die vor dem 1.7.2006 geltende Rechtslage bezog, war insoweit obsolet.
Rz. 17
Für ein Beratungshonorar, das gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 auf einer Gebührenvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant beruht, existiert in Ermangelung unterschreitungsfähiger gesetzlicher Gebühren keine Angemessenheitskontrolle (vgl. § 34 Rdn 11). Daher scheidet insoweit auch ein Verstoß gegen das Gebührenunterschreitungsverbot des § 49b Abs. 1 BRAO aus.
Rz. 18
Ob anwaltliche Dumpingpreise betriebswirtschaftlich sinnvoll und berufspolitisch erstrebenswert sind, ist freilich eine andere Frage. Betriebswirtschaftlich lässt sich eine isolierte Beratung zu einem Preis von 10 oder 20 EUR nicht begründen, weshalb nur die Hoffnung auf einen nach RVG zu liquidierenden Folgeauftrag bleibt. Zudem erzeugt aggressive Preiswerbung beim Verbraucher den fatalen Eindruck, sein Anwalt koste heutzutage weniger als sein Friseur. Dieser Imageschaden ist zunächst für den einschlägig werbenden Kollegen fatal. Er disqualifiziert sich gegenüber seinen Mandanten als Anbieter einer hochwertigen Dienstleistung und blockiert zugleich seine Preisverhandlungen bei anderen Mandaten, bei denen die Vereinbarung einer durchschnittlichen oder gar überdurchschnittlichen Vergütung angezeigt wäre. Überdies ist das aggressive Preisdumping einzelner Rechtsanwälte auf Dauer geeignet, in der rechtsuchenden Bevölkerung eine negative Wahrnehmung des anwaltlichen Berufsstandes insgesamt herbeizuführen. Discountpreise zählen nicht zu den typusbildenden Merkmalen des Freien Berufs, der sich in der Bevölkerung besonderer Wertschätzung erfreut. Gerade vor dem Hintergrund der weiteren Öffnung des Rechtsberatungsmarktes durch das Rechtsdienstleistungsgesetz sollte die Anwaltschaft Stärke und Selbstbewusstsein demonstrieren und ihre "core values" positiv herausstellen. Wer die anwaltliche Dienstleistung als Ramschware bewirbt, erweist seinem Berufsstand einen Bärendienst. Ein Dumpingwettbewerb unter Kolleginnen und Kollegen führt sowohl die eigene Kanzlei als auch den Berufsstand in den Ruin.