Leitsatz (amtlich)
Ein Verstoß gegen die formellen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Transplantationsgesetz (TPG) bewirkt nicht automatisch, dass die Einwilligung des Organspenders zur Lebendnierenspende unwirksam und die Organentnahme ein rechtswidriger Eingriff ist. Zu den Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung in eine Organentnahme bei einer Lebendnierenspende.
Normenkette
TPG § 8
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 02.11.2015; Aktenzeichen 1 O 279/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 02.11.2015 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Haftungsansprüche in Zusammenhang mit einer von ihr im Jahr 2009 getätigten Lebendnierenspende geltend.
Im Lauf des Jahres 2008 entschloss sich die Klägerin zu einer Nierenspende für ihren Vater, der an einer chronischen Niereninsuffizienz Stadium IV auf dem Boden einer Leichtkettenerkrankung litt.
Am 12.09.2008 bestätigte die Klägerin mit ihrer Unterschrift den Erhalt einer Patienteninformation zur Nierenlebendspende. Im Zeitraum vom 17.09. bis 30.10.2008 erfolgte die Evaluation der Klägerin als potentielle Spenderin. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Kopie zu den Akten gereichten abschließenden Befundbericht des Beklagten zu 2. an die Kommission Transplantationsmedizin der Ärztekammer Nordrhein vom 30.12.2008 Bezug genommen. Am 26.01.2009 erfolgte die Vorstellung der Klägerin bei der vorbezeichneten Kommission, die keine Anhaltspunkte dafür fand, dass die geplante Organspende nicht freiwillig sei. Am 27.01.2009 fand ein Konsensusgespräch statt, an dem die Klägerin, ihr Vater sowie die Beklagten zu 1. und 2. teilnahmen. Am selben Tag führten die Beklagten zu 2. und 3. ein (LSP)- Gespräch mit der Klägerin. Ein Gesprächsprotokoll wurde sowohl von der Klägerin als auch von ihrem Vater unterzeichnet. Am Tag der stationären Aufnahme, dem 24.02.2009, erfolgte die Eingriffsaufklärung über die geplante offene Entnahme der rechten Niere durch die Beklagte zu 4.. Die Nierenentnahme wurde am Folgetag durchgeführt. Im Mai 2014 kam es zum Transplantatverlust beim Empfänger.
Die Klägerin hat behauptet, dass es möglicherweise Kontraindikationen betreffend die Nierenlebendspende gegeben habe. Über die Folgen der Spende sei sie nicht ausreichend aufgeklärt worden. Dies gelte auch hinsichtlich der bei ihrem Vater bestehenden Hochrisikosituation betreffend den Transplantatverlust, der sich - unstreitig - verwirklicht habe. Zur Spende habe sie sich nur aufgrund der unzureichenden und verharmlosenden Aufklärung entschlossen. Zudem seien die formalen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 TPG bei der Aufklärung nicht eingehalten worden. So hätten die bei der Aufklärung beteiligten Ärzte bei der Transplantation mitgewirkt. Die Klägerin behauptet, infolge der Spende an einem chronischen Fatigue-Syndrom zu leiden. Zudem habe sie eine Niereninsuffizienz mit einem GFR-Wert von 40 ml/min. Insoweit sei ein Schmerzensgeld von 50.000,00 EUR angemessen.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen genaue Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2012 zu zahlen,
- 2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aufgrund der Lebendnierenspende am 25.02.2009 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, es sei eine den Vorgaben des § 8 Abs. 2 TPG entsprechende Aufklärung erfolgt. Zudem haben sie den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben und geltend gemacht, auch ausweislich des Ergebnisses der Transplantationskommission habe sich die Klägerin in keinem Entscheidungskonflikt befunden. Ebensowenig lägen Behandlungsfehler vor. Insbesondere habe keine Kontraindikation für die Transplantation bestanden.
Wegen des weiter gehenden erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1. - 3. sowie nach Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. L nebst mündlicher Erläuterung und Vernehmung einer Zeugin abgewiesen.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, ein Behandlungsfehler sei nicht gegeben. Eine absolute Kontraindikation für die Transplantation habe nicht vorgelegen. Die beim Empfänger der Niere bestehende Leichtkettenerkrankung habe zwa...