Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung einer Vereinbarung über die Durchführung einer Ankaufsuntersuchung beim Pferdekaufvertrag.
2. Ein Rücktrittsrecht von einem bereits geschlossenen Pferdekaufvertrag ist unverzüglich nach Kenntnis des Befundes der Ankaufsuntersuchung auszuüben, d.h. in der Regel binnen zwei Wochen. Andernfalls können Gewährleistungsansprüche wegen bei der Ankaufsuntersuchung festgestellter Mängel nicht mehr geltend gemacht werden.
Normenkette
BGB §§ 346, 433-434, 437 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 21.10.2009; Aktenzeichen 2 O 210/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21.10.2009 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Nach § 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Sie rügt, das LG sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kaufvertrag unbedingt geschlossen worden sei. Kaufpreiszahlung und Übergabe des Pferdes schlössen die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung des Vertrages nicht aus. Dies sei üblich, wenn der Käufer einen eigenen Tierarzt einschalten wolle. Sie - die Beklagte -habe erwartet, dass ihr spätestens innerhalb einer Woche angezeigt werde, wenn Probleme bei der Ankaufsuntersuchung aufgetreten seien. Es sei nicht davon auszugehen, dass die aufschiebende Bedingung bis zur ersten Mitteilung am 15.7.2008 gelten sollte. Der Vertrag sei deshalb wirksam geworden und Gewährleistungsrechte der Klägerin seien wegen Kenntnis des Mangels ausgeschlossen (§ 442 Abs. 1 BGB).
Ferner rügt die Beklagte, das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Mangel nicht bestritten sei. Beim Probereiten durch die Klägerin sei kein "Ton" hörbar gewesen.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des LG Bielefeld, Aktenzeichen 5 O 210/09, vom 21.10.2009 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens und macht geltend, selbst wenn der Vertrag aufschiebend bedingt gewesen wäre, hätte die Beklagte aufgrund des ersten Schreibens der Klägerin der Rückabwicklung zustimmen müssen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 346 BGB, da sie den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Mangel der Beklagten ggü. nicht unverzüglich angezeigt hat, so dass das Pferd mit den bei der Ankaufsuntersuchung festgestellten Befunden als genehmigt gilt und darauf bezogene Gewährleistungsrechte nicht mehr geltend gemacht werden können.
Die Parteien haben am 10.6.2008 einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Wallach "E" zum Preis von 6.000 EUR geschlossen. In dem von der Klägerin aufgesetzten handschriftlichen Vertrag heißt es: "Eine Ankaufsuntersuchung wird vom Käufer veranlasst und bei Nicht-Befund vom Käufer bezahlt." Wie diese Vereinbarung zu verstehen ist, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Sinn und Zweck einer Ankaufsuntersuchung ist in der Regel, Klarheit über den gesundheitlichen Zustand des Pferdes und ggf. das Vorliegen bestimmter Eigenschaften oder Anlagen zu bekommen. Die Ankaufsuntersuchung liegt sowohl im Interesse des Käufers als auch des Verkäufers. Für den Käufer bietet die Ankaufsuntersuchung eine Entscheidungsgrundlage dafür, ob er das Pferd kaufen bzw. behalten will. Der Verkäufer hat ein Interesse an Informationen über sein Haftungsrisiko und an der Bewahrung vor nachträglichen Ansprüchen des Käufers aufgrund bekannter Beschaffenheitsmerkmale. In der Regel liegt in der Vereinbarung einer Ankaufsuntersuchung die Abrede, dass der Vertrag unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wird, dass der Käufer das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung billigt bzw. die Untersuchung ohne besonderen Befund bleibt. Das dürfte insb. dann der Fall sein, wenn die gegenseitigen Leistungen noch nicht vor Durchführung der Ankaufsuntersuchung erbracht wurden (OLG Köln NJW-RR 1995, 113, 114). Auf der anderen Seite kommt aber auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) oder eines Rücktrittsvorbehaltes (§ 346 Abs. 1, erst Alternative BGB) in Betracht. Im vorliegenden Fall wurden mit Abschluss des Kaufvertrages die beiderseitigen Leistungen erbracht. Darüber, was geschehen soll, wenn die Ankaufsuntersuchung einen nachteiligen Befund erbringt, wurde zwischen den Parteien nach ihren Erklärungen in der Sitzung nicht ausdrücklich gesprochen. Nach der Formulierung im Kaufvertrag gingen die Parteien vielmehr davon aus, dass mit einem nachteiligen Befund nicht zu rechne...