Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeleuchteter Sperrpfosten auf Radweg
Leitsatz (amtlich)
1. Wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen darf bei objektiver Klagehäufung von Leistungsbegehren und Feststellungsansprüchen nicht allein durch Grundurteil über das Leistungsbegehren entschieden werden; ebenso wenig ist es zulässig, über einen einheitlichen, dem Grunde nach streitigen Anspruch allein durch Teilurteil zu entscheiden, solange nicht zugleich ein Grundurteil über den restlichen Anspruch ergeht (Bestätigung von BGH v. 4.10.2000 – VIII ZR 109/99, MDR 2001, 105 = NJW 2001, 155; v. 5.12.2000 – VI ZR 275/99, MDR 2001, 287 = NJW 2001, 760).
2. Die Verkehrssicherungspflicht ist schuldhaft verletzt, wenn nachts ein unbeleuchteter, schwer wahrnehmbarer Sperrpfosten auf einem Fuß- und Radweg neben der Fahrbahn aufgestellt wird.
3. Auch für Radfahrer gilt das Sichtfahrgebot. Die Ausrüstung von Fahrrädern mit nur schwacher Beleuchtung ändert an der gebotenen Eigensorgfalt nichts (hier: 1/3 Mitverschulden). Ein Mitverschulden des Radfahrers scheidet nur ausnahmsweise bei besonders schwerer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus.
Normenkette
BGB §§ 254, 839 Abs. 11, 874 I; GG Art. 34; ZPO §§ 301, 304
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 2 O 204/98) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.9.1998 verkündete Teil- und Grundurteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das vorgenannte Urteil abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der auf Ersatz materiellen Schadens gerichtete Zahlungsantrag der Klägerin wird dem Grunde nach zu zwei Dritteln für gerechtfertigt erklärt; der Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes wird dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverantwortungsanteils der Klägerin von einem Drittel für gerechtfertigt erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den zukünftigen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 4.3.1997 auf dem Quellenhofweg in Bielefeld-Gadderbaum zu zwei Dritteln zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, und ihren künftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mitverantwortungsanteils der Klägerin von einem Drittel zu ersetzen.
3. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Zahlungsansprüche und über die Kosten des Rechtsstreits, auch über die des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
4. Das Urteil beschwert die Beklagte i.H.v. 44.470,60 DM und die Klägerin i.H.v. 22.235,30 DM.
Tatbestand
Die am 22.11.1956 geborene Klägerin verlangt Schadenersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung der Beklagten für die Folgen eines Unfalls, den die Klägerin am 4.3.1997 gegen 0.04 Uhr erlitt, als sie mit ihrem Fahrrad gegen einen – auf dem Fuß- und Radweg neben der Straße Quellenhofweg in B. eingesetzten – unbeleuchteten, rotweiß lackierten Sperrpfosten geriet, stürzte und sich verletzte. Die Klägerin war in der Unfallnacht mit ihrem Fahrrad auf dem Rückweg von dem Besuch einer Freundin. Auf der Hinfahrt war der ein Meter hohe, herausnehmbare, runde Sperrpfosten, der einen Durchmesser von 6 cm hatte, noch nicht eingesetzt gewesen.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte durch das Einsetzen des Sperrpfostens die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat und/oder ob die Klägerin das Hindernis rechtzeitig hätte wahrnehmen und den Unfall hätte vermeiden können.
Wie schon einige Nächte vorher war der Quellenhofweg i.H.d. abzweigenden B.wegs zur Unfallzeit zum Schutz von Krötenwanderungen von 19 Uhr bis 6 Uhr für den Autoverkehr gesperrt. Die Sperrung der Fahrbahn erfolgte durch eine an Sperrpfosten befestigte rotweiße Absperrschranke, an der das Verkehrszeichen „Verbot für Fahrzeuge aller Art” und fünf rot blinkende Warnleuchten angebracht waren. Um zu verhindern, dass Autofahrer die Fahrbahnsperrung umfahren, hatte die Beklagte zusätzlich zu der Absperrschranke auf dem rund 1,90m breiten Fuß- und Radweg den Sperrpfosten eingesetzt. Zwischen dem Weg und der Fahrbahn befand sich ein etwa drei Meter breiter Streifen. Auf diesem Grünstreifen war, aus Sicht der Klägerin links, etwa in Höhe der Absperrschranke, ein weiterer, fest installierter, ein Meter hoher, rotweißer Sperrpfosten. Dahinter war etwas mehr links versetzt ein Pfahl, an dem damals das Verkehrszeichen „einseitig verengte Fahrbahn” angebracht war. Am jenseitigen Fahrbahnrand des B.wegs befand sich eine sog. Pilzleuchte, rechts daneben ein Pfahl mit weiteren Verkehrszeichen und wenig dahinter der Bau einer eingeschossigen Trafostation. 34 Meter vor dem Sperrpfosten wurde der Fuß- und Radweg durch eine sog. Kofferleuchte ausgeleuchtet. Der Fuß- und Radweg verläuft aus Sicht der Klägerin zunächst geradeaus. Er knickt hinter dem Sperrpfosten, etwa zehn Meter vor der Einmündung auf die Fahrbahn Quellenhof/B.weg, nach links ab. Im Bereich der Unfallste...