Radfahrer von herunterfallender Baumkrone verletzt – haftet die Kommune?
Ein Fahrradfahrer war in Nordrhein-Westfalen auf einem Rad- und Wanderweg unterwegs, als plötzlich von einer am Wegesrand stehenden Eiche die Baumkrone in sechs bis sieben Meter Höhe abbrach und auf ihn stürzte. Der Mann wurde dabei erheblich verletzt. Von der Kommune forderte er Schadensersatz sowie Schmerzensgeld.
Unfallort: private Grünfläche, die als öffentlicher Wanderweg ausgewiesen war
Der Wegabschnitt, auf dem sich der Unfall ereignete, befand sich auf einem Privatgrundstück. Mit Ratsbeschluss aus dem Jahr 1975 war allerdings festgelegt worden, dass der Weg in der privaten Grünfläche als öffentlicher Wanderweg gekennzeichnet wird.
In erster Instanz wurde darum gestritten:
- ob es sich bei dem Rad- und Wanderweg um eine öffentlich gewidmete Verkehrsfläche handelte,
- ob die beklagte Kommune aufgrund der vom Grundstückseigentümer übernommenen Verkehrssicherungspflicht zur regelmäßigen Kontrolle des schadenverursachenden Baumes verpflichtet gewesen wäre,
- ob die Kommune bei diesen Kontrollen den nicht verkehrssicheren Zustand des Baumes hätte erkennen müssen.
Hat die Kommune ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt?
Das Landgericht hatte die Klage des Radfahrers abgewiesen. Die beklagte Kommune habe keine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen. Der Unfall habe sich auf einem durch einen Wald führenden Waldweg ereignet. Es handele sich nicht um bloße Baumgruppen, sondern um eine mit Forstpflanzen bestückte Grünfläche.
Nach Rechtsprechung des BGH sei die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf die Sicherung gegen nicht waldtypische Gefahren beschränkt. Eine Haftung für waldtypische Gefahren bestehe grundsätzlich nicht.
OLG: Radfahrer hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatzansprüche
Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Dem Radfahrer stehen keine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Grundgesetz zu.
Baum stand nicht an einer öffentlich-rechtlichen Straße
Die Verkehrssicherungspflicht für Bäume in Nordrhein-Westfalen sei allein insoweit als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet, als es sich bei ihnen um Straßenbäume handelt. Die Beklagte habe schon deshalb keine öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht getroffen, weil der unfallverursachende Baum nicht an einer öffentlichen Straße stand.
Eine Haftung der Beklagten Kommune scheitere aber auch daran, dass es sich bei der schadensverursachenden Eiche um keinen dem Rad-/Wanderweg zuzuordnenden Straßenbaum gehandelt habe.
Keine öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht für Bäume im Wald
Nach Rechtsprechung des BGH ist ein Baum, der am Rand eines an einer öffentlichen Straße angrenzenden Waldgrundstücks steht, nur dann der Straße zuzuordnen, wenn er Eigentümlichkeiten aufweist, die ihn vom Waldsaum abheben. Solange er unauffällig im Wald steht, erstreckt sich die öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht des Straßenbauträgers nicht auf ihn (BGH, Urteil v. 19.01.1989, III, ZR 258/87)
(OLG Hamm, Urteil v. 30.06.2023, 1 U 51/22)
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