Leitsatz (amtlich)
Mangels Widmung ist ein für die Öffentlichkeit zugänglicher Rad- und Wanderweg auf einem privaten Waldgrundstück keine öffentliche Straße. Nach der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht für den durch den Wald verlaufenden Weg haftet die Kommune dem Benutzer nicht für Schäden, die dieser infolge waldtypischer Gefahren erleidet.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 30/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 03.07.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (Az.: 6 O 30/21) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Unfalls, den er am 00.00.2018 gegen 11.10 Uhr als Radfahrer auf dem entlang des Baches A verlaufenden Rad-Wanderweges infolge einer herabstürzenden Baumkrone erlitten hat, auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche aus dem Unfallgeschehen entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.
Der vorgenannte Rad-/Wanderweg verläuft zwischen B und C. Mit Ratsbeschluss vom 21.02.1975 hatte die Beklagte beschlossen, den zwischen der D Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01 "E" in Höhe des F Weges gelegenen Teil des Rad-/Wanderweges als öffentlichen Weg in einer öffentlichen Grünfläche festzusetzen. Für den westlich davon gelegenen Teilabschnitt des Rad-/Wanderweges bis zur G Straße, der über Privatgrundstücke verläuft, wurde beschlossen, dass der Weg in einer privaten Grünfläche als öffentliche Wanderwegfläche nachrichtlich dargestellt wird. Im Anschluss an die Beschlussfassung wurde den privaten Grundstückseigentümern von der Beklagten bestätigt, dass die Wegebau-, Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflichten auf die Beklagte übergehen.
Zum Unfallzeitpunkt waren von der Beklagten an dem an der G straße gelegenen Einmündungsbereich des Rad-/Wanderweges das Verkehrszeichen Nr. 240 StVO (gemeinsamer Geh- und Radweg), ein Verbotszeichen für Reiter sowie Pfeilwegweiser für den Fußgänger- und Radverkehr aufgestellt.
Der Kläger befuhr zum Unfallzeitpunkt den Rad-/Wanderweg von B kommend in Richtung C. Als er sich mit seinem Fahrrad ca. 150 m vor der G Straße befand, brach plötzlich aus einer am Wegesrand stehenden Eiche in ca. 6 bis 7 Meter Höhe die Baumkrone ab und stürzte auf den Kläger, wodurch dieser erhebliche Verletzungen erlitt. Der betreffende Abschnitt des Wanderweges ist auf einem im Eigentum des Herrn H stehenden Privatgrundstück gelegen.
In erster Instanz haben die Parteien unter anderem darüber gestritten, ob es sich bei dem Rad-/Wanderweg um eine öffentlich gewidmete Verkehrsfläche handelt, die Beklagte aufgrund der von ihr vom Grundstückseigentümer übernommenen Verkehrssicherungspflicht zu regelmäßigen Kontrollen des schadensverursachenden Baumes verpflichtet war, sie bei diesen Kontrollen den nicht verkehrssicheren Zustand des schadensverursachenden Baumes hätte erkennen können und müssen, und ob die Beklagte unabhängig hiervon zum Unfallzeitpunkt positive Kenntnis von dem schlechten Zustand der am Wegesrand stehenden Bäume hatte. Außerdem hat man über den Umfang der vom Kläger durch den Unfall erlittenen Verletzungen, Verletzungsfolgen und materiellen Schäden gestritten.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem Kläger mangels Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten weder Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zustünden. Der Unfall habe sich auf einem durch einen Wald i.S.v. § 2 LFoG NRW i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 BWaldG führenden Waldweg ereignet. Es handele sich nicht um bloße Baumgruppen, sondern eine mit Forstpflanzen bestückte Grünfläche. Der 2,5 km lange Weg sei beidseitig mit einer Vielzahl von Bäumen und Baumreihen bestückt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers auf die Sicherung gegen nicht waldtypische Gefahren beschränkt. Eine Haftung für waldtypische Gefahren bestehe grundsätzlich nicht. Die Beklagte sei zwar nicht selbst Waldbesitzerin i.S.v. § 4 BWaldG, sei diesem aber durch die Übernahme der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers insoweit gleichzustellen. Eine Verpflichtung zur Durchführung regelmäßiger Kontrollen der Bäume, wie sie für an öffentlich gewidmeten Straßen stehende Bäume angenommen werde, habe vorliegend für die Beklagte nicht bestanden, weil der insoweit darlegungs- und beweislastete Kläger eine förmliche Widmung des Weges als öffentlichen Straße durch öffentlich...