Leitsatz (amtlich)
1. Abschlagsforderungen unterliegen einer selbstständigen Verjährung und können dann nicht mehr verlangt werden können, wenn Schlussrechnungsreife besteht.
2. Ist die Klage im ersten Rechtszug als derzeit unbegründet abgewiesen worden, so steht einer endgültigen Abweisung der Klage im Berufungsverfahren - hier wegen Verjährung des (Rest-)Werklohnanspruchs - nicht das Verschlechterungsverbot entgegen. Das Verbot der Reformatio in peius ist nicht anwendbar, da der Kläger durch das angefochtene Urteil noch keine schutzwürdige Position erlangt hat.
Normenkette
BGB §§ 195, 199, 203, 204 Abs. 1 Nrn. 1, 7, § 631 Abs. 1, § 632a Abs. 1 S. 2, § 641 Abs. 1; VOB/B § 16 Abs. 3 Nr. 1; ZPO §§ 167, 528
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 212 O 127/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.11.2020 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf das angefochtene, am 12.11.2020 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Zahlung von Restwerklohn.
Die Klägerin ist ein Generalbauunternehmen. Die Parteien schlossen am 27.03.2014 einen Bauvertrag über die Errichtung eines Bungalows auf dem Grundstück der Beklagten A-Straße ## in B. Der Bauvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 2 VERTRAGSGEGENSTAND
Der Auftragnehmer verpflichtet sich, das Bauwerk fachgerecht und nach den Regeln der Baukunst zu erstellen nach Maßgabe folgender Unterlagen:
diesen Bauvertrag
...
f) die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB Teil B) in der diesem Vertrag beigefügten Fassung
...
§ 7 ABNAHME UND GEWÄHRLEISTUNG
Zwischen den Parteien wird vereinbart, dass nach Fertigstellung der Bauleistung und vor Einzug oder Nutzung des Hauses durch den Bauherrn eine förmliche Abnahme stattfindet. Sie kann von beiden Seiten verlangt werden und hat innerhalb von 14 Tagen nach Aufforderung durch die Gegenseite stattfinden. Der Auftraggeber kann sich durch eine schriftlich bevollmächtigte Person vertreten lassen. Findet keine förmliche Abnahme statt, so gilt die Bauleistung mit Einzug als abgenommen.
Bei Prüfung der Bauleistungen sind eventuelle Mängel oder unerledigte Restarbeiten in einem Aufnahmeprotokoll festzuhalten, dass von beiden Parteien zu unterzeichnen ist."
Auf den weiteren Inhalt des Bauvertrages (Anlage = Bl. 48-52 d.A.) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Die Klägerin stellte den Beklagten die 1. Abschlagsrechnung vom 24.04.2014 über 27.435,00 EUR brutto, die 2. Abschlagsrechnung vom 13.05.2014 über 18.290,00 EUR brutto, die 3. Abschlagsrechnung vom 28.05.2014 über 36.580,00 EUR brutto und die 4. Abschlagsrechnung vom 15.07.2014 über 54.870,00 EUR brutto und begehrte mit Schlussrechnung vom 01.10.2014 (Anlage K4) von den Beklagten die Zahlung eines noch offenen Betrages i.H.v. 52.506,08 EUR.
Die Klägerin übergab den Beklagten 2014 die Bauschlüssel zur Erledigung von Eigenleistungen. Die Beklagten bezogen das Haus im Oktober 2014, nachdem sie ihr vorheriges Haus nach dessen Verkauf räumen mussten. In der Folgezeit lehnten die Beklagten eine Abnahme ab und machten hilfsweise ein auf Mängel gestütztes Zurückbehaltungsrecht geltend.
Mit Antragsschrift vom 08.01.2015 (Anl. K7) leiteten die Beklagten vor dem Landgericht Münster das selbständige Beweisverfahren 14 OH 1/ 15 ein und begehrten die Feststellung von insgesamt 21 aufgeführten Mängeln. Das Landgericht holte im selbständigen Beweisverfahren insgesamt 9 Gutachten des Sachverständigen C ein.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.10.2018 (Anlage K 15) setzte die Klägerin den Beklagten eine Frist zur Zahlung des Schlussrechnungsbetrages bis zum 12.10.2018. Die Beklagten erhoben für den Fall, dass eine Abnahme durch Einzug im Jahr 2014 anzunehmen sein sollte, die Einrede der Verjährung, und setzten der Klägerin mit Schriftsatz vom 21.08.2020 eine Frist zur Mangelbeseitigung hinsichtlich des unter der Bodenplatte eingebauten Recyclingmaterials und der oberhalb der Bodenplatte eingebauten PE-Folie bis zum 04.11.2020.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe einen Anspruch auf den mit der Schlussrechnung ausgewiesenen offenen Restwerklohn i.H.v. 52.506,08 EUR gegen die Beklagten. Ihr Anspruch sei auch fällig. Die Beklagten könnten wegen des Zeitablaufs keine förmliche Abnahme, die nicht vereinbart worden sei, verlangen und in der Erhebung der Zahlungsklag...