Leitsatz (amtlich)

Vor einer minimalinvasiven TASH-Behandlung (Transkoronare Ablation der Septumhypertrophie) kann über eine Myektomie als gleichwertige Behandlungsmethode aufzuklären sein. Dabei kann es nicht genügen, die Myektomie nur als ultima ratio darzustellen.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 280, 823

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 4 O 140/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. März 2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen vermeintlicher Aufklärungs- sowie Behandlungsfehler im Rahmen einer am 04.06.2013 durchgeführten sogenannten Re-TASH-Operation in der Klinik der Beklagten.

Der am ...1969 geborene Kläger ist herzkrank und leidet unter einer symptomatischen hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) sowie chronischer Belastungsdyspnoe bei Asthma bronchiale. Durch seinen behandelnden Kardiologen wurde er in die kardiologische Abteilung der Beklagten zur Untersuchung überwiesen. Dort wurde die HOCM mit einem hämodynamischen Schweregrad bestätigt und ihm eine transkoronare Ablation der Septumhypertrophie (TASH) empfohlen. Die erste Behandlung wurde am 23.02.2012 durch Ablation des Ramus-Septalastes II mit Alkohol durchgeführt und führte zunächst zu einer graduellen Verbesserung der Belastbarkeit des Klägers, brachte aber keinen nachhaltigen Heilungserfolg. Der bei der Müllabfuhr beschäftigte Kläger litt in der Folgezeit weiterhin unter Luftnot und war arbeitsunfähig.

Rund ein halbes Jahr später wurde der Kläger erneut stationär in der Klinik der Beklagten untersucht. In dem Arztbrief des behandelnden Oberarztes und Kardiologen Dr. M vom 26.11.2012 wurde zunächst noch eine signifikante Reduzierung des Belastungsgradienten auf bis 55 mmHG festgestellt, der sich in der Folgezeit aber wieder verschlechterte. Am 09.04.2013 stellte der Zeuge Dr. M einen Anstieg des Belastungsgradienten auf 100 mmHG fest, weshalb von einer hochgradigen Obstruktion unter Belastung ausgegangen werden musste. Die Septaläste des Klägers wurden auf die Eignung für eine erneute TASH-Behandlung hin untersucht und dabei deren ausgeprägte Kleinkalibrigkeit festgestellt. Einer der Septaläste schien nach dieser Untersuchung jedoch für eine weitere Behandlung geeignet zu sein. Alternativ zu der Re-TASH-Operation wurden eine Myektomie oder eine Radiofrequenzablation der Septumhypertrophie in Betracht gezogen.

Noch am gleichen Tag wurde mit dem Kläger ein Termin zu dieser Re-TASH-Operation für den 04.06.2013 vereinbart, die vereinbarungsgemäß in der Klinik der Beklagten durchgeführt wurde. Bei Beendigung der Operation zeigten sich laut Behandlungsbericht vom 13.06.2013 verschiedene schwerwiegende Komplikationen, infolge derer der Kläger einen lebensbedrohlichen Infarkt erlitt und zur operativen Weiterversorgung in die T-Klinik nach Bad S verbracht wurde. Dort wurde notfallmäßig eine Myektomie durchgeführt und dem Kläger drei Bypässe und ein Herzschrittmacher gesetzt sowie eine operative Muskelverkleinerung vorgenommen. Nach zweieinhalbwöchigem stationärem Aufenthalt wurde der Kläger zur Rehabilitation nach Bad S verlegt und dort am 16.07.2013 entlassen. Seit Oktober 2013 bezieht er Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Kläger hat behauptet, er sei von dem ärztlichen Personal vor der Re-TASH-Operation vom 04.06.2013 unzureichend aufgeklärt worden. Ferner seien diesem bei der Operation Behandlungsfehler unterlaufen. Er sei im Vorfeld der Operation nicht hinreichend über die Vor- und Nachteile der alternativen Behandlungsmethoden aufgeklärt worden. Insbesondere weise der allgemein zur Aufklärung verwandte "Pro-Compliance-Aufklärungsbogen" nicht auf die besonderen Risiken der Re-TASH-Operation für den Kläger hin, da für ihn wegen seiner koronaranatomischen Konstitution und der verengten Septaläste eine erhöhte Verletzungsgefahr des Herzens und der Gefäße bestanden habe. Die Beklagte habe ihm wegen der unzureichenden Aufklärung die Möglichkeit genommen, sich gegen die am 04.06.2013 vorgenommene Re-TASH-Operation zu entscheiden. Auf diese hätte er sich nicht eingelassen, wenn er im Vorfeld umfassend über die möglichen Probleme der Behandlung für ihn aufgeklärt worden wäre. Bei sofortiger Behandlung der HOCM durch eine Myektomie hätte er wieder arbeitsfähig werden können.

Die Beklagte hat Behandlungsfehler bestritten und behauptet, der Kläger sei fachgerecht aufgeklärt und behandelt worden. Bereits im Rahmen der ersten TASH-Operation sei über die möglicherweise notwendige Wiederholung der Behandlung gesprochen und der Klä...

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