Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 21.03.2000; Aktenzeichen 2 O 772/98) |
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten gegen das am 21. März 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 74 % und die Beklagte 26 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger in Höhe von 10. 000, -- DM und die Beklagte um 3. 500, -- DM.
Tatbestand
Der damals 26-jährige Kläger erlitt als Motorradfahrer am April 1997 in R einen Verkehrsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde. Unfallursächlich war ein alleiniges Verschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten, über deren volle Haftung die Parteien einig sind. Der materielle Schaden ist nicht mehr im Streit. Die Beklagte hat vorprozessual ein Schmerzensgeld von 20. 000 DM gezahlt. Das Landgericht hat dem Kläger weitere 10. 000 DM zugesprochen. Gegenstand der Berufung ist ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 10. 000 DM. Mit der (unselbständigen) Anschlußberufung wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die beiderseitigen Rechtsmittel sind zulässig, aber nicht begründet.
I.
Zur Berufung:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gem. § 823, 847 BGB, 3 PflVersG auf Zahlung eines weiteren, 30. 000, 00 DM übersteigenden Schmerzensgeldes.
1. Der Kläger erlitt bei dem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades mit einem geringen Hirnödem. Es kam zu einem Hörverlust links mit subjektivem Rauschen und Tinnitus. Insoweit ist inzwischen eine Besserung eingetreten, jedoch ist das Hörvermögen auf dem linken Ohr auf Dauer um 50 % gemindert. Geblieben sind Gleichgewichtsstörungen. Der Kläger erlitt des weiteren einen verschobenen Unterarmbruch rechts, der mit einer Plattenosteosynthese behandelt wurde. Die Metallplatten sind inzwischen entfernt worden. Das hat das Landgericht übersehen. Am Unterarm haben sich Narben gebildet. Unfallbedingt ist eine (dauerhafte) Versteifung des Endgliedes des rechten Zeigefingers eingetreten. Die Gebrauchstauglichkeit seines rechten Armes war zeitweise beeinträchtigt. Der Kläger sah zudem für längere Zeit Doppelbilder. Er befand sich vom 8. bis 15. April 1997 sowie (zur Plattenentfernung) vorn 12. bis 18. Juli 1999 in stationärer Behandlung.
2. Die erlittenen Verletzungen, ihre Folgen und der Heilungsverlauf lassen ein Schmerzensgeld von insgesamt 30. 000 DM als angemessen, aber auch als ausreichend erscheinen. Dabei hat der Senat neben dein (dauerhaften) Hörschaden und der Unterarmfraktur insbesondere auch berücksichtigt, daß die zur Versorgung des verschobenen Unterarmbruchs implantierten Platten inzwischen - im wesentlich komplikationslos - entfernt worden sind, bei dem Eingriff allerdings ein Schraubenelement (bewußt) im Knochen der Elle verblieben ist, weil eine Freilegung nach Angaben des behandelnden Arztes zu einer Stabilitäts- und Durchblutungsgefährdung geführt hätte.
II.
Zur Anschlußberufung:
1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, daß die Verjährung etwaiger Ersatzansprüche hinsichtlich jetzt noch nicht bekannter Schäden unterbrochen wird. Das gem. § 256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse liegt schon dann vor, wenn künftige Schadensfolgen sei es auch nur entfernt - möglich, ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt aber noch ungewiß sind (BGH NJW 1991, 2707). Das ist hier der Fall.
2. Der Feststellungsantrag ist auch in der Sache begründet. Es genügt, wenn eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichungen der Schadensersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht. Dies trifft bei schwereren Unfallverletzungen regelmäßig zu. Der Feststellungsanspruch kann in Fällen dieser Art nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen zu rechnen (Senatsurt. v. 14. Juni 1999, 13 U 21/99). An die Darlegung der für ein Feststellungsbegehren erforderlichen Wahrscheinlichkeit, daß spätere Schadensfolgen eintreten können, hat die Rechtsprechung stets maßvolle Anforderungen gestellt (BGH, VersR 1991, 779). Diese sind im Streitfall erfüllt. Nach Art und Umfang der (nicht unerheblichen) Verletzungen des Klägers (Schädel-Hirn-Trauma mit anschließendem Hörschaden, verschobener Unterarmbruch) kann hier nicht zweifelhaft sein, daß Spätfolgen eintreten können. Deshalb hat das Landgericht zu Recht antragsgemäß festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren materiellen Schäden mit Ausnähme der Kosten für Wartung, Instandhaltung und Neuanschaffung eines Hörgerätes (insoweit hat die Beklagte ihre Ersatzverpflichtung vorprozessual anerkannt), und alle weite...