Entscheidungsstichwort (Thema)

MBKK Krankheitskostenversicherung: Behandlungskosten für künstliche Befruchtung bei nicht verheirateten Partnern, Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ex ante

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch gegen den Krankheitskostenversicherer wegen künstlicher Befruchtung scheitert (nach den üblichen Bedingungen) nicht daran, dass der Versicherte nicht verheiratet ist, sondern eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führt (unter 1a cc).

2. Die medizinische Notwendigkeit ist in der Krankheitskostenversicherung objektiv und ex ante zu beurteilen; seinerzeit gegebene Umstände sind zugunsten des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen, auch wenn sie etwa von dem behandelnden Arzt übersehen wurden (unter 1a aa (2)).

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 10.06.2016)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.06.2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bochum unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.214,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2013 zu zahlen.

Die Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen der Klägerin zu 60 % und der Beklagten zu 40 % zur Last, die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz der Klägerin zu 70 % und der Beklagten zu 30 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht aus ihrer bei der Beklagten genommenen privaten Krankenkostenvollversicherung Ansprüche auf Erstattung von Kosten für zuletzt neun fehlgeschlagene In-Vitro-Fertilisationen (IVF) kombiniert mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) geltend.

Die im Mai 1976 geborene Klägerin lebte seit dem Jahr 2000 zunächst unverheiratet in einer Partnerschaft mit einem Mann, der eine andrologische Fertilitätsstörung aufweist und zwischen dem 30.04.2005 und dem 06.05.2013 nicht krankenversichert war. Der Kinderwunsch der beiden erfüllte sich nicht.

Die Klägerin stellte mündlich einen Kostenübernahmeantrag bezüglich künstlicher Befruchtungen bei der Beklagten. Diese lehnte ab, da die Klägerin nicht mit ihrem Partner verheiratet war.

Die Klägerin unterzog sich sodann dennoch ab September 2010 mehreren Behandlungszyklen einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung.

Zu deren Beginn stellten die erstbehandelnden Ärzte am 21.09.2010 eine stark reduzierte ovarielle Reserve fest. Der AMH-Wert lag bei 0,31 ng/ml. Zudem wies die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt eine fehlende Durchgängigkeit des linken Eileiters und eine stark eingeschränkte Durchgängigkeit des rechten Eileiters auf, welche jedoch erst im Jahr 2014 erstmals festgestellt wurden.

Nach dem vierten erfolglosen Behandlungszyklus forderte die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.10.2013 unter Fristsetzung bis zum 30.10.2013 zur Erstattung der angefallenen Kosten auf. Die Beklagte lehnte dies vor allem ab, da die vermutete beginnende Ovarialinsuffizienz eindeutig hinter der Erkrankung des Partners zurückstehe.

Nach anschließender Klageerhebung im Dezember 2013 hat die Klägerin weitere fünf erfolglose Behandlungszyklen durchgeführt. Ihren Partner hat sie am 11.12.2015 geheiratet.

Die Klägerin meint, sämtliche Behandlungszyklen seien angesichts ihrer Krankheit medizinisch notwendig gewesen.

Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrages, der Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das der Klage teilweise in Höhe von 8.305,88 EUR nebst Zinsen stattgebende Urteil des LG Bochum (GA 234-241) verwiesen.

Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, dass der zweite und der vierte Behandlungszyklus, nicht hingegen die übrigen Behandlungszyklen als medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen seien. Bezüglich des ersten Behandlungszyklus in 2011 sei eine medizinische Notwendigkeit bereits nicht gegeben, da sich Hinweise auf eine eingeschränkte ovarielle Reserve erst im Verlaufe des ersten Behandlungszyklus und auf einen Tubenverschluss erst im Jahre 2014 ergeben hätten. Es fehle also bei der notwendigen ex-ante-Betrachtung an einer weiblichen Indikationslage. Bezüglich der übrigen Behandlungszyklen fehle es einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit von über 15 %.

Gegen die teilweise Abweisung der Klage wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts sowie Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung durch das LG rügt und ihr erstinstanzliches Klagebegehren - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 11.814,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2013 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der vier weiteren (vom A...

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