Leitsatz (amtlich)

1. Eine Löschungsbewilligung ist gem. § 875 Abs. 2 BGB auch dann noch widerrufbar, wenn sie in einem Notarvertrag abgegeben wurde, der eine sog. Ausfertigungssperre enthält, wonach das Recht jedes Beteiligten gem. § 51 Abs. 1 BeurkG, eine Ausfertigung zu verlangen, abbedungen ist.

2. Gem. § 876 S. 2 BGB muss der Grundpfandrechtsgläubiger eines herrschenden Grundstücks der Löschung von Dienstbarkeiten an dem dienenden Grundstück zustimmen. In einer Löschungsbewilligung des Grundpfandrechts ist dann nicht im Regelfall eine Zustimmung i.S. von § 876 S. 2 BGB enthalten, wenn diese treuhänderisch gebunden erteilt w orden ist (Abgrenzung zu OLG Hamm, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 15 W 66/12 - juris).

3.Wenn ein Notar zum Vollzug des notariellen Vertrages bevollmächtigt ist, kann auch auf dessen Kenntnisstand bei der Frage des gutgläubigen Erwerbs gem. § 892 BGB abzustellen sein. Auch ein Notar kann einem Rechtsirrtum unterliegen, der einer Bösgläubigkeit i.S. von § 892 BGB entgegensteht.

 

Normenkette

BGB §§ 875-876, 892

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 16 O 154/22)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerinnen das am 28.06.2023 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az. 16 O 154/22) abgeändert.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend berichtigt, dass es im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 26.04.2023 ergangen ist.

Die Klage bleibt abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen und die Drittwiderbeklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner den Schaden der Beklagten zu 1) zu ersetzen haben, der dieser durch die auf Betreiben der Klägerinnen durch den Vollzug des Beschlusses des Landgerichts Münster vom 21.07.2022, Az.: 016 O 128/22 eingetragenen Widersprüche in den Grundbüchern von K., Grundbuchblätter N01 bis N02 entstanden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz tragen die Klägerin zu 1) zu 33 %, die Klägerin zu 2) zu 66 % und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner mit den Klägerinnen zu 1) und 2) zu 1 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten zu 1) und 2) Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs geltend gemacht und machen diese in der Berufungsinstanz gegen die Beklagte zu 1) weiter geltend. Die Beklagte zu 1) macht widerklagend Schadenersatzansprüche wegen der unberechtigten Eintragung eines Widerspruchs ins Grundbuch geltend.

Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin der Grundstücke F.-straße 00 (Gemarkung K., Flur N04, Flurstücke N05 und N06).

Die Klägerin zu 2) ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N07 (ohne eigene Hausnummer).

Das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N08 steht im Eigentum der U. GmbH, die nicht an dem Prozess beteiligt ist.

Das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N09 stand ursprünglich im Eigentum der O. A. GmbH & Co KG und steht nunmehr im Eigentum der Beklagten zu 1).

Wegen der Lage der Grundstücke wird auf die folgende Abbildung verwiesen:

((Abbildung))

Am 26.11.2020 beurkundete der Streithelfer zwei notarielle Kaufverträge mit den Ur-Nrn. N10/2020 und N11/2020.

Mit notariellem Kaufvertrag (Ur-Nr. N10/2020), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 33 der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden: d.A.), kaufte die Beklagte zu 1) von der insolventen A. O. GmbH & CO KG (im Folgenden Verkäuferin) das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück N09 (im Folgenden als dienendes Grundstück bezeichnet).

Das Grundstück Gemarkung K., Flur N04, Flurstück Nr. N09 war u.a. wie folgt belastet:

  • lfd. Nr. 1: Eine Grunddienstbarkeit (Verbot der Errichtung und des Betriebs von Anlagen zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks K. Flur N04, Flurstück N07;
  • lfd. Nr. 2: Eine Grunddienstbarkeit für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke K. Flur N04, Flurstücke N06 und N07;
  • lfd. Nr. 3: Eine Grunddienstbarkeit (Betretungsrecht, Ver- und Entsorgungsleitungsrecht für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke K. Flur N04, Flurstücke N06 und N07);
  • lfd. Nr. 4: Reallast (Pflicht zur Kostentragung für Wärmelieferung, Betrieb, Wartung und Unterhaltung Heizungsanlage und Leitungen für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks K. Flur N04 Flurstücks N07).

Das Grundstück war zudem mehr als wertausschöpfend mit einer Grundschuld zugunsten der Bank G. (im Folgenden: G.) belastet. Die Verkäuferin war insolvent. Der Insolvenzverwalter machte gegen die Drittwiderbeklagten zu 1) bis 4) - u.a. gesamtschuldnerisch Forderungen i.H. von 1.542.627,20 EUR geltend (vgl. Bl. 55 d.A.).

Die Grundschuldgläubig...

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