Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berufsunfähigkeit eines Kochs bei nur geringer Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinns
Leitsatz (amtlich)
Der Betreiber einer Gaststätte, der auch als Koch tätig ist (keine „gehobene” Küche) ist nicht berufsunfähig, wenn sein Geschmacks- und Geruchssinn um 10 bis 20 % beeinträchtigt ist.
Normenkette
BUZ § 2
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 15 O 40/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.7.2000 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die im Falle einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit eine Jahresrente i.H.v. 22.393 DM vorsah, zahlbar vierteljährlich im voraus. Dieser Anspruch ergab sich ab einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 %. Bei einer geringeren Berufsunfähigkeit besteht kein Leistungsanspruch. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch, in der Berufungsinstanz nur noch für den Zeitraum vom 1.8.1998 bis zum 31.12.1999.
Der Kläger ist gelernter Koch. Er war von 1983 bis Ende Oktober 1998 selbstständig und hat in H. eine Speisewirtschaft mit angegliederter Pension betrieben. Er behauptet, ab 1998 seinen Geschmackssinn völlig und seinen Geruchssinn im Wesentlichen verloren zu haben, was sich schleichend vollzogen habe. Eingesetzt habe diese Entwicklung im Jahre 1992 in zeitlicher Folge einer extremen allergischen Reaktion nach Erdbeergenuss. Mit dem Verlust seines Geschmackssinns sei eine Verschlechterung seiner Arbeitsergebnisse einhergegangen, was dazu geführt habe, dass seine Gaststätte nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben gewesen sei und er sie habe schließen müssen. Eine Umorganisation habe sich als nicht durchführbar erwiesen.
Seit dem 13.8.1997 ist der Kläger bei einem Bruttogehalt von 3.000 DM pro Monat bei einer Wach- und Schließgesellschaft tätig.
Die Beklagte hat seinen Leistungsantrag abgelehnt. Ein Verlust des Geschmackssinns und eine Einschränkung des Geruchssinns lägen tatsächlich nicht vor. Selbst wenn es so wäre, hätte der Kläger dieses Manko durch innerbetriebliche Umorganisationsmaßnahmen ausgleichen können. Außerdem könne er konkret auf den von ihm ausgeübten Beruf als Wachmann und abstrakt auf den Beruf eines „Hotelangestellten” verwiesen werden.
Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Prof. Dr. med. W. S., Universitätsklinikum M., die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine vollständige Herabsetzung des Riech- und Schmeckvermögens liege nicht vor. Der Kläger könne die vier Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter unterscheiden. Eine quantitative Beurteilung seines Geschmacksvermögens sei zwar nicht möglich. Er verfüge aber über ein normales olfaktorisches Diskriminationsvermögen und könne Riechstoffe namentlich zuordnen, wenn auch seine Sensibilität im Vergleich zur altersentsprechenden Norm herabgesetzt sei. Damit sei er in seinem Beruf aber nicht zu mindestens 52 % berufsunfähig.
Dagegen wendet sich der Kläger erfolglos mit seiner Berufung, mit welcher er sein Rechtsmittel in Höhe von 31.723,42 DM – der sich für den Zeitraum vom 1.8.1998 bis zum 31.12.1999 rechnerisch ergebenden Rente – weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat nicht bewiesen, dass er bedingungsgemäß zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nicht allgemein auf das Berufsbild „eines Kochs” abzustellen, sondern auf die konkrete Ausgestaltung des Berufs des Klägers, wie er ihn zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt hat (BGH v. 3.4.1996 – IV ZR 344/94, VersR 1996, 830; v. 30.9.1992 – IV ZR 227/91, MDR 1992, 1132 = VersR 1992, 1386). Dieser Beruf ist durch Anhörung des Klägers im Senatstermin geklärt und dem Sachverständigen, der zur Erläuterung seines Gutachtens erneut geladen worden ist, vorgegeben worden (BGH v. 29.11.1995 – IV ZR 233/94, NJW-RR 1996, 345). Danach stellte sich der Beruf des Klägers in den Jahren 1992 bis 1998 durchweg wie folgt dar: Der Kläger, gelernter Koch, betrieb in den Räumlichkeiten eines ihm gehörenden Hauses eine Speisegaststätte mit angegliederter Pension. Es waren fünf Doppelzimmer zu bewirtschaften, die in den Sommermonaten durchweg zu 75 % ausgebucht waren. Die Pensionsgäste konnten wahlweise Halb- oder Vollpension buchen. Ihnen wurde ein Tagesgericht angeboten, das täglich frisch zubereitet wurde und aus Suppe, Hauptgericht und Dessert bestand. Die Speisegaststätte hatte insgesamt 80 Sitzmöglichkeiten, wovon 40 im Gaststättenraum und jeweils 20 weitere Plätze in einem separaten Zimmer und im Wintergarten waren. Der Kläger selbst bewirtschaftete die Küche, befasste sich aber auch mit anderen Tätigkeiten ...