Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Risikobelehrung eines rechtsschutzversicherten Mandanten
Normenkette
pVV; BGB § 174; ZPO § 485
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 29.08.2003; Aktenzeichen 5 O 544/01) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 29.8.2003 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das vorgenannte Urteil abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden wie folgt verteilt:
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und die Gerichtskosten tragen zu 54 % der Kläger allein und zu 46 % die Kläger als Gesamtschuldner. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
B. Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet, die des Beklagten begründet, denn den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung (pVV) nicht zu.
I. Da es vorliegend um Pflichtverletzungen aus einem am 21.6.1999 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. §§ 675, 611 BGB geht, ist gem. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB das BGB in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden. Somit waren die Grundsätze der pVV als Anspruchsgrundlage für den begehrten Schadensersatz wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten aus dem Anwaltsvertrag heranzuziehen.
II. Am 21.6.1999 ist ein Anwaltsvertrag zwischen den Klägern einerseits und der damals aus dem Beklagten und Rechtsanwalt ... bestehenden Sozietät andererseits zustande gekommen. Insoweit liegt ein nach außen kundgemachter Zusammenschluss mehrerer Anwälte zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und nicht nur eine Bürogemeinschaft vor. Da keine andere Rechtsform gewählt worden ist, ist von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auszugehen (BGH v. 20.6.1996 - IX ZR 248/95, MDR 1996, 1070 = BRAK 1996, 268 = NJW 1996, 2859), die seit der Entscheidung des BGH vom 29.1.2001 (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1056 ff.) als rechtsfähig angesehen wird. Insoweit wird Vertragspartner die rechtsfähige Sozietät selbst, die von den Sozien nach außen vertreten wird und mit dem Gesellschaftsvermögen ggü. dem Mandanten haftet. Durch eine entsprechende Anwendung des § 128 HGB ist eine akzessorische und gesamtschuldnerische Haftung aller Sozien gegeben (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307 = NJW 2001, 1056 ff.; OLG Hamm v. 22.11.2001 - 28 U 16/01, BB 2002, 370 ff.; K. Schmidt, NJW 2001, 993 [999]). Folge ist hier, dass dem Beklagten auch das Handeln seines früheren Sozius wie eigenes Handeln zuzurechnen ist, §§ 278, 31 BGB analog.
1. Ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten wegen weiterhin geschuldeter Mietzinszahlungen ggü. ihrer früheren Vermieterin ist indes nicht gegeben.
a) In der Ankündigung der Auszugsabsicht der Kläger im Schreiben des Rechtsanwalts ... vom 28.6.1999 kann entgegen der Ansicht der Kläger ein Haftungstatbestand nicht erblickt werden. Insoweit wurde die Einlassung des Beklagten, Rechtsanwalt ... sei gebeten worden, das Schreiben an die damalige Vermieterin der Kläger zu senden und dabei auch die Auszugsabsicht der Kläger mitzuteilen, um die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit zu betonen, von den insoweit beweisbelasteten Klägern nicht widerlegt.
Im Übrigen konnte auch nach entsprechendem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung seitens der Kläger nicht dargelegt werden, welcher konkret zu beziffernder Schaden aus der von den Klägern insoweit vorgetragenen Verschlechterung der Verhandlungsposition entstanden sein soll.
b) Eine Pflichtverletzung des Beklagten, der das Mandat nach Ausscheiden des Rechtsanwalts ... aus der Kanzlei weitergeführt hat, ist allerdings sowohl in der fristlosen Kündigung ohne Vorlage einer Originalvollmacht als auch in der Nichtvornahme einer unverzüglichen neuen Kündigung nach Vollmachtsrüge zu erblicken. Denn gem. § 174 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft - wie die Kündigung - unwirksam, wenn die Vollmachtsurkunde nicht beigefügt worden ist. Diese muss im Original vorgelegt werden; eine beglaubigte Abschrift oder Kopie reicht hier nicht aus (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 174 Rz. 2, m.w.N.). Wird das einseitige Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückgewiesen, ist es nichtig. Eine Zurückweisung ist hier unverzüglich mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Vermieterin vom 11.8.1999 erfolgt. Zwar erfolgte die Rüge der fehlenden Vollmacht hier nur "vorsorglich". Dies reicht jedoch für die Annahme einer Zurückweisung gerade wegen der fehlenden Vollmacht i.S.d. § 174 S. 1 BGB aus, da die übrigen Ausführungen zur Kündigung der Kläger im Schreiben vom 11.8.1999 ausdrücklich nur noch "hilfsweise" erfolgten. Somit kam hier nur eine Neuvornahme der Kündigung in Betr...