Leitsatz (amtlich)

Wird bei einem Patienten ein Glaukom (Grüner Star) festgestellt, hat der Augenarzt eine Operation als Behandlungsmöglichkeit zu erörtern. Unterbleibt die Indikationsstellung zur Operation, kann das als grober Behandlungsfehler zu bewerten sein. Für den Verlust der Lesefähigkeit eines Auges verbunden mit einem fortgeschrittenen Gesichtsfeldausfall kann ein Schmerzensgeld von 15.000,-- EUR angemessen sein.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823, 253

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 05.02.2014; Aktenzeichen 6 O 70/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05.2.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 15.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 21.4.2011 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden, letzterer soweit dieser durch den Antrag zu 1) nicht erfasst ist, der ihm aus der fehlerhaften

augenärztlichen Behandlung in der Zeit von März 2002 bis 2006 entstanden ist und weiter entstehen wird, vorbehaltlich eines Forderungsübergangs, zu ersetzen.

Der Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.105,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 21.4.2011 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten der ersten Instanz und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in der ersten Instanz tragen der Kläger zu 5/8 und der Beklagte zu 1) zu 3/8.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 1) zu 3/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt - im Berufungsverfahren allein noch - den Beklagten zu 1) wegen einer vermeintlich fehlerhaften augenärztlichen Behandlung in der Zeit von 1998 bis 2006 auf Schmerzensgeld, Schadensersatz sowie Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht in Anspruch.

Der am ... 1939 geborene Kläger befand sich seit dem Jahr 1989 in augenärztlicher Behandlung des Beklagten zu 1). Am 22.10.1998 wurde bei dem Kläger ein Gesichtsfeldausfall im Bereich des rechten Auges festgestellt. Der Beklagte zu 1) stellte nach zwei Kontrollen des Augeninnendrucks die Diagnose "okuläre Hypertension" für das rechte Auge und verordnete dem Kläger die Augentropfen Trusopt.

Am 24.6.1999 dokumentierte der Beklagte zu 1) aufgrund der bis dahin zusätzlich durchgeführten drei Gesichtsfeldkontrollen und mehrerer Augendruckmessungen, dass ein Glaukom beidseitig ausgeschlossen sei. Eine konsiliarische Untersuchung in der neurologischen Klinik des L-krankenhauses C vom 29.6.1999 ergab hinsichtlich des Sehnervs des rechten Auges folgenden Befund: Papille rechts "vital randscharf; 0,5-0,6. Temporal schlüsselförmig exkaviert".

Nachdem in der Folgezeit wiederholt Augeninnendruckwerte von 19-25 mm HG durch den Beklagten zu 1) festgestellt wurden, stellte dieser die Medikation am 21.6.2000 auf das intensivere Präparat Xalatan um. Da auch im weiteren Verlauf Innendruckwerte bis 26 mm HG gemessen wurden, verordnete er ab dem 3.8.2001 zusätzlich das Mittel Azopt. Eine weitere Intensivierung erfolgte am 14.3.2002, indem das Mittel Xalatan durch Xalacom ersetzt wurde, nachdem eine Messung 24 mm HG ergeben hatte. Die Augeninnendruckwerte bis dahin lagen jeweils zwischen 15 und 20 mm HG.

Am 18.5.2004 führte der Beklagte zu 1) zudem eine Augenhintergrunduntersuchung durch und dokumentierte einen "altersgerechten Augenhintergrund" für beide Seiten.

Auch nach der erneuten Umstellung des Präparats stiegen die Messwerte weiter auf 17-23 mm HG an. Nach einer Messung am 1.7.2004 (28 mm HG) wurde daher anstelle von Xalatan/Azopt die Kombination Travatan/Azopt verordnet. Die letzte Intensivierung der Medikation durch den Beklagten zu 1) erfolgte am 28.12.2005 nach einer Messung i.H.v. 30 mm HG. Der Kläger sollte nun die Mittel Cosopt/Xalatan tropfen.

Neben der Messung des Augeninnendrucks führte der Beklagte zu 1) am 21.1.1999, 22.03.2001, 4.4.2002, 4.1.2003 und 1.7.2004 weitere Gesichtsfeldkontrollen durch. Eine Befundung des Sehnervenkopfes (Papille) erfolgte am 22.10.1998, 21.06.2000, 22.3.2001 und 18.5.2004.

Am 4.1.2006 erörterte der Beklagte zu 1) mit dem Kläger eine Glaukom-Operation am rechten Auge. Er überwies den Kläger in die Augenklinik des L-krankenhauses C. Damit endete die Behandlung des Klägers durch den Beklagten zu 1).

Im Anschluss daran ließ sich der Kläger ab 6.1.2006 bei Dr. F (erstinstanzlich Beklagten zu 2) augenärztlich weiter behandeln. Am 12.1.2006 wurde der Kläger im L-krankenhaus C erstmalig am rechten Auge operiert. Die dauerhafte Behandlung durch das L-krankenhaus endete im Juni 2007. Am 10.12.2008 wurde der K...

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