Leitsatz (amtlich)

Bei einer relativen Indikation zur Operation an der Lendenwirbelsäule bedarf es einer dezidierten Aufklärung über die echte Alternative einer konservativen Behandlung.

An die Aufklärung bei einer relativen Operationsindikation sind besondere Anforderungen zu stellen, wenn der konservative Therapieansatz zu kurz gewählt worden ist. Auf das erhöhte Risiko einer Duraverletzung - wegen einer Voroperation - ist gesondert hinzuweisen.

Bei einer chronischen inkompletten Kaudalähmung mit Störung der Sexualfunktion, Fußheber- und Fußsenkerparese und rückgebildeter Blasenentleerungsstörung sowie einer reaktiven depressiven Entwicklung kann ein Schmerzensgeld von 75.000,- EUR angemessen sein.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 280, 823

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 5 O 28/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. November 2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Arnsberg abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 24. August 2011 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 34.589,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 9.709,20 EUR seit dem 20. Oktober 2011 und aus 24.879,90 EUR seit dem 21. August 2013 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung durch den Beklagten in der Zeit vom 10. August bis einschließlich den 18. August 2010 als Belegarzt im Krankenhaus X noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger ihm entstandene anrechnungsfreie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Rechtsanwälte Q2, in Höhe von 4.410,14 EUR zu erstatten und insoweit Zahlung an die N Rechtsschutz-Service-GmbH, Y, zur Schadensnummer ..., vorzunehmen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 44 % und dem Beklagten zu 56 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Jahr 2010 auf Schmerzensgeld, Schadensersatz, Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht und Zahlung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Der am 00.00.1951 geborene Kläger, der seit 1988 unter Rückenschmerzen litt, stellte sich im Juli 2010 wegen therapieresistenter Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich im Krankenhaus X vor. Der Beklagte war dort als Belegarzt tätig.

Vom 26.7.2010 bis zum 30.7.2010 erfolgte ein stationärer Aufenthalt des Klägers im Krankenhaus X. Dort wurde der Kläger konservativ unter anderem mit einer intravenösen Analgesie sowie einer Infusion behandelt. Ferner wurde am 28.7.2010 ein CT der Wirbelsäule veranlasst. Der im Anschluss beigezogene Beklagte besprach mit dem Kläger sodann den Befund und führte mit diesem am 30.7.2010 ein Aufklärungsgespräch über die Operation bei Verengung des Wirbelkanals der Lendenwirbelsäule durch.

Am 11.8.2010 führte der Beklagte nach zuvor erfolgter stationärer Aufnahme bei dem Kläger eine Discektomie, eine Dekompression, eine Neurolyse L3/L4 links sowie eine Spondylodese mit capstone cage und spirer plate durch. Während der Operation zeigte sich ein kleiner Duradefekt, den der Beklagte mit Fibrinkleber und Gelitta verschloss.

Postoperativ stellten sich neurologische Ausfälle in beiden Beinen des Klägers ein. Dem Kläger war es nicht mehr möglich, dass gestreckte Bein anzuheben. Ferner zeigten sich eine Fußheber- und eine Fußsenkerparese. Darüber hinaus war der Kläger nach der Operation nicht mehr in der Lage, Wasser zu lassen, weshalb in der Nacht vom 11.8.2010 auf den 12.8.2010 kurzfristig ein Blasenkatheter gelegt wurde.

Der Beklagte entschloss sich daraufhin am 12.8.2010 bei dem Kläger eine Revisionsoperation durchzuführen. Hierbei entfernte der Beklagte ein epidurales Hämatom links. Ferner zeigte sich während der Operation wiederum ein Duradefekt, den der Beklagte erneut mittels Fibrinkleber und Gelitta verschloss.

Nach der Operation ergab sich zunächst eine Verbesserung der neurologischen Ausfälle. Der Kläger war kurzzeitig in der Lage, die ausgestreckten Beine wieder anzuheben. Die Fußheber- und Fußsenkerparese bestand hingegen fort. Am Nachmittag des 12.8.2010 war es dem Kläger wiederum nicht mehr möglich, die ausgestreckten Beine anzuheben.

Am 13.8.2010 erfolgte eine Anweisung des Beklagten, dass der Kläger im Rollstuhl...

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