Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 24 O 27/19)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 16.05.2019 abgeändert.

Die Verfügungsanträge der Verfügungskläger werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Verfügungskläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Senat nimmt auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

II. Die Berufungen der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) sind zulässig und begründet.

A. Zulässigkeit der Berufungen:

Die Berufungen der Beklagten sind gem. § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegen das in erster Instanz ergangene Endurteil des Landgerichts, das sie mit mehr als 600,- EUR beschwert, statthaft. Sie sind auch fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO schriftlich beim Oberlandesgericht eingelegt worden (§ 519 Abs. 1 ZPO) und innerhalb der Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO vor dem Senat begründet worden.

B. Begründetheit der Berufungen:

Die Berufungen der Beklagten sind begründet, weil das Landgericht die einstweiligen Verfügungsanträge der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) zu Unrecht als zulässig und begründet angesehen hat.

I. Zulässigkeit der einstweiligen Verfügungsanträge:

1. An der grundsätzlichen Statthaftigkeit des einstweiligen Verfügungsantrags der Kläger gem. den §§ 935, 940 ZPO bestehen keine Bedenken. Dabei kann angesichts des auf Rechtsfolgenseite gemäß § 938 Abs. 1 ZPO bestehenden gerichtlichen Ermessens offenbleiben, ob das Rechtsschutzziel der Kläger, den Beklagten vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den Vollzug der Abberufung des Klägers zu 1. als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. zu untersagen, insbesondere diese nicht zum Handelsregister anzumelden, vorrangig auf eine Sicherungsverfügung i. S. d. § 935 ZPO, eine Regelungsverfügung i. S. d. des § 940 ZPO oder eine Leistungsverfügung nach § 940 ZPO analog gerichtet ist. Im Hinblick auf die mittlerweile eingeleiteten Hauptsache-Anfechtungsklageverfahren geht es den Klägern jedenfalls nicht um eine Vorwegnahme der Hauptsache.

a) Besteht Streit über das ordnungsgemäße Zustandekommen des Widerrufs der Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH, so bedeutet das unabhängig davon, ob in der Hauptsache ein Nichtigkeits- oder ein bloßer Anfechtungsgrund infrage steht, bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung eine Rechtsunklarheit über die weitere Entwicklung, und es kollidieren die Interessen des Geschäftsführers und der GmbH hinsichtlich einer vorläufigen Regelung für diesen Schwebezustand. In dieser Situation gibt es für den Geschäftsführer nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes. Er kann sich mit der einstweiligen Verfügung sein (angeblich) noch bestehendes Recht auf Führung der Geschäfte sichern, soweit er einen Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht sind.

b) Ein einstweiliger Verfügungsantrag des abberufenen Geschäftsführers ist grundsätzlich zulässig, wenn er in der Hauptsache gegen den Beschluss der Gesellschafterversammlung zu seiner Abberufung als Geschäftsführer Beschlussanfechtungsklage analog § 246 AktG bzw. Nichtigkeitsklage analog § 249 AktG erheben darf und erhoben hat. Die Kläger haben in der Hauptsache beim Landgericht Münster gegen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. vom 06.05.2019 betreffend die Abberufung gerichtete Klageverfahren anhängig gemacht, über die noch nicht entschieden ist.

2. Soweit die Parteien in beiden Instanzen über die wirksame Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 2. allein durch den Kläger zu 1. und über die Klagebefugnis sowie Aktiv-/Passivlegitimation der jeweiligen Parteien gestritten haben, lässt der Senat dies im Ergebnis offen.

II. Begründetheit der einstweiligen Verfügungsanträge:

Denn unabhängig davon sind die einstweiligen Verfügungsanträge beider Kläger gegen die drei Beklagten jedenfalls unbegründet, weil die Kläger einen Verfügungsanspruch auf vorläufige Nichtvollziehung der Abberufung des Klägers zu 1. als Geschäftsführer und deren Anmeldung zum Handelsregister (dazu 1.) sowie einen entsprechenden Verfügungsgrund (dazu 2.) nicht als überwiegend wahrscheinlich glaubhaft gemacht haben (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

1. Verfügungsanspruch:

Den Klägern steht kein als überwiegend wahrscheinlich glaubhaft gemachter Verfügungsanspruch auf einstweilige Unterlassung der Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. zu.

a) Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil weder das Vorliegen eines konkreten Verfügungsanspruchs noch einen entsprechenden Verfügungsgrund mit der notwendigen Tiefe in den Blick genommen, sondern sich auf die Weichenstellung zu Gunsten einer entsprechenden Anwendung der §§ 117 ff. HGB für den primär daraus hergeleiteten Verfügungsgrund (zur Sicherung gegen den Ausschluss der Teilhaberechte bis zu der v...

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