Leitsatz (amtlich)
Zur Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse.
Normenkette
BGB § 489 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 12.11.2015; Aktenzeichen 14 O 339/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.11.2015 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von der Beklagten gekündigten Bausparverträge Nr. ... ... ... ... und Nr. ... ... ... ... über den 30.06.2015 hinaus fortbestehen.
Die Klägerin schloss 1989 mit der Beklagten einen Bausparvertrag Nr. ... ... ... ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,- DM ab, den sie 1999 zunächst auf eine Bausparsumme von 100.000,- DM und 2003 auf eine Bausparsumme von 68.000,- EUR erhöhte. Im Jahre 1994 wurde ein weiterer Bausparvertrag Nr. ... ... ... ... über eine Bausparsumme von 50.000,- DM (= 25.564,59 EUR) errichtet.
Nach § 6 der jeweils einbezogenen allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge - Tarif Classic - wird das Bausparguthaben mit jährlich 2,5 % verzinst. Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn seit dem Vertragsabschluss mindestens 18 Monate vergangen sind, eine bestimmte Bewertungszahl erreicht und ein Bausparguthaben von mindestens 40 % der Bausparsumme angespart worden ist. In § 9 Abs. 1 ABB heißt es: "Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt." In § 14 Abs. 1 ABB ist weiter geregelt: "Verzichtet der Bausparer auf die Zuteilung oder wird die Zuteilung widerrufen (§ 13 Abs. 3), wird der Bausparvertrag fortgesetzt." Wegen der weiteren vereinbarten Bedingungen wird auf die Anlage Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge - Tarif Classic (Bl. 44 ff. GA) verwiesen.
Am 30.11.2002 lagen die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrages Nr. ... ... ... ... und am 28.02.2001 die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrages Nr. ... ... ... vor. Die Klägerin machte von ihrem Zuteilungsrecht keinen Gebrauch. Auf ihre Veranlassung wurden monatlich 6,65 EUR vermögenswirksame Leistungen auf den Bausparvertrag Nr. ... ... ... ... überwiesen; ferner zahlte die Klägerin selbst 100,- EUR monatlich auf diesen Vertrag ein. Einzahlungen auf den Vertrag Nr. ... ... ... ... erfolgten zumindest in den letzten Jahren nicht.
Mit Schreiben vom 12.12.2014 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag zum 30.6.2015. Die Bausparguthaben betrugen Ende 2014 54.390,79 EUR (Nr. ... ... ... ...) bzw. 15.475,12 EUR (Nr. ... ... ... ...).
Die Klägerin hat vorgetragen, die ausgesprochenen Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil die vereinbarten Bausparsummen noch nicht vollständig angespart seien. Gemäß § 14 ABB setze sich der Vertrag nach Zuteilungsreife fort. Ein vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 BGB sei daher noch nicht gegeben. Zudem sei nach § 9 ABB eine Kündigung ausgeschlossen, solange sie ihren Verpflichtungen nachkomme.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt. Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne der Vorschrift zu verstehen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien einschließlich der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteil (Bl. 142 f. GA) verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den Vertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB wirksam gekündigt. Die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB seien auf Bausparverträge anwendbar. Bei einem Bausparvertrag handele es sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen sei und bei dem die Parteien mit Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschten. Für die Bausparkasse bestehe 10 Jahre nach Zuteilungsreife ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach § 489 BGB; aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrages stehe die eingetretene Zuteilungsreife dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta gleich. Mangels einer Pflicht des Bausparers zur Abnahme des Bauspardarlehens stehe kein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag fest, an dem sich der Zeitpunkt für die Kündigungsmöglichkeit nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB orientieren könne. Dies rechtfertige es aber nicht, die Dauer der Sparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen, da eine überlange Ansparung nicht dem Zweck des Bausparens entspreche. Das Erreichen der Bausparsumme sei daher zu spät angesetzt.