Leitsatz (amtlich)
Zur Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse.
Normenkette
BGB § 489 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 12.11.2015; Aktenzeichen 14 O 331/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.11.2015 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der von der Beklagten gekündigte Bausparvertrag Nr. ... ... ... ... über den 30.06.2015 hinaus fortbesteht.
Die Klägerin schloss 1990 mit der Beklagten einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 17.000,- DM ab, den sie 1994 auf eine Bausparsumme von 100.000,- DM (= 51.129,19 EUR) erhöhte. Sie wählte hierbei den Tarif Vario 2. Gemäß § 6 Abs. 1 der einbezogenen Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge - Tarif Vario (ABB) wird das Bausparguthaben mit jährlich 2,5 % verzinst; in dem Tarif Vario 2 erhält der Bausparer zusätzlich einen Bonus von 0,5 % jährlich, so dass sich die Gesamtverzinsung auf 3 % beläuft. Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn seit dem Vertragsabschluss in den Varianten 1 und 2 mindestens 18 Monate und in der Variante 3 mindestens 80 Monate vergangen sind, eine bestimmte Bewertungszahl erreicht und ein Bausparguthaben in Variante 2 von mindestens 40 % und in den Varianten 1 und 3 von mindestens 50 % der Bausparsumme angespart worden ist. In § 9 Abs. 1 ABB heißt es: "Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt." In § 14 Abs. 1 ABB ist weiter geregelt: "Verzichtet der Bausparer auf die Zuteilung oder wird die Zuteilung widerrufen (§ 13 Abs. 3), wird der Bausparvertrag fortgesetzt." Wegen der weiteren vereinbarten Bedingungen wird auf die Anlage Allgemeine Bedingungen für Bausparverträge - Tarif Vario (Bl. 127 ff. GA) verwiesen.
Am 29.02.2004 lagen die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrages vor. Die Klägerin hat in der Folgezeit von ihrem Zuteilungsrecht keinen Gebrauch gemacht und auf die Auszahlung des Bauspardarlehens verzichtet. Auf ihre Veranlassung wurden monatlich 40,- EUR vermögenswirksame Leistungen auf den Bausparvertrag überwiesen.
Mit Schreiben vom 12.12.2014 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag zum 30.6.2015. Das Bausparguthaben betrug Ende 2014 30.664,83 EUR.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, weil die vereinbarte Bausparsumme noch nicht vollständig angespart sei und damit kein vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliege. Darüber hinaus finde die Vorschrift nur bei Verträgen mit gebundenen Sollzinsen Anwendung; der Bausparer könne aber nach §§ 3, 3a ABB einseitig den Tarif wechseln, so dass es sich um ein Darlehen nach § 488 Abs. 3 S. 1 BGB handele. Auch könne die Beklagte als Bausparkasse § 489 BGB nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Kündigung des Bausparvertrages verstoße schließlich gegen § 242 BGB sowie gegen § 9 ABB.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt. Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne der Vorschrift zu verstehen. Es handele sich auch um ein Darlehen mit gebundenem Sollzins. Zwar könne die Klägerin gemäß §§ 6, 20 ABB während der Vertragslaufzeit eine andere Guthabenverzinsung wählen, was gleichzeitig eine andere Verzinsung des Bauspardarlehens zur Folge habe. Gemäß § 489 Abs. 5 S. 2 BGB sei der Zinssatz jedoch auch gebunden, wenn für die Vertragslaufzeit mehrere Sollzinssätze vereinbart seien, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt würden. Deshalb würden auch Staffelzinssätze als gebundene und nicht als variable Verzinsungsregelungen bewertet. Marktschwankungen unterlägen die vorgesehenen Zinsen damit nicht. Folge man dieser Ansicht nicht, wäre sie befugt gewesen, den Vertrag nach § 489 Abs. 2 BGB zu kündigen; auch dieses Kündigungsrecht sei unabdingbar. Ihr Kündigungsschreiben sei entsprechend umzudeuten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien einschließlich der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteil (Bl. 72 f. GA) verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den Vertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB wirksam gekündigt. Die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB seien auf Bausparverträge anwendbar. Bei einem Bausparvertrag handele es sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen sei und bei dem die Parteien mit Inanspruchnahme d...