Leitsatz (amtlich)
Der Verpächter einer Gaststättenanlage bleibt bzgl. einer Gefahrenstelle, die sich aus dem baulichen Zustand der Außenanlagen ergibt, grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig.
Ergibt sich die abhilfebedürftige Gefahrenstelle aber nicht aus der baulichen Gestaltung an sich, sondern aus der konkreten Art der Nutzung des Außenbereichs durch den Pächter, tritt in der Regel die Verkehrssicherungspflicht desjenigen in den Vordergrund, der die drohende Gefahr vor Ort beherrschen kann.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 14.09.2016; Aktenzeichen 010 O 43/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.09.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Münster (Az. 10 O 43/15) teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Sie trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. - abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 1 und 2, 313a, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO -
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem sie im Außenbereich einer Gaststätte gestürzt ist und sich verletzt hat. Die Beklagte hat als Erbbauberechtigte das Gaststättengrundstück an die Streithelferin verpachtet.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, was zur teilweisen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils führt, soweit die Klage erstinstanzlich Erfolg hatte.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht.
1. Verkehrssicherungspflichtig ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft oder andauern lässt. Dies verpflichtet ihn, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer möglichst zu verhindern. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist nicht zu erreichen und nach der berechtigten Verkehrsauffassung auch nicht zu erwarten. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, NZV 2014, 167, 168 f.; BGH, NJW 2013, 48 f.; OLG Hamm, NJW-RR 2013, 1242). Beim Betrieb einer Gastronomieeinrichtung gehört dazu, dass - den baulichen Zustand betreffend - frei zugängliche Flächen ohne übersehbare Stolperstellen begehbar sein müssen (OLG Hamm, VersR 1991, 1154; OLG Hamm, NJW 2000, 3144), da ein Gaststättengelände auch von älteren, gehbehinderten und teilweise alkoholisierten und mit Kommunikation befassten Menschen begangen wird, deren Sicherheitsbedürfnis jeweils Rechnung zu tragen ist (Hager in Staudinger, Kommentar zum BGB (2009), § 823 BGB, Rn. E268; Saarländisches OLG, Urteil vom 08.09.2009, Az. 4 U 43/09, juris).
Die Beklagte hat als Erbbauberechtigte die Verkehrssicherungspflicht für das Erbbaugrundstück von der Eigentümerin vertraglich übernommen, IV. Ziffer 7. (S. 19) des Erbbaurechtsvertrages vom 28.11.2005 (Bl. 271 - 300 GA, UR-Nr. .../... des Notars Dr. S in E). Indem sie die Gaststätte samt Außenbereich an die Streithelferin verpachtet hat, hat sie den Verkehr auf dem Erbbaugrundstück eröffnet. Dementsprechend traf und trifft sie die Verpflichtung, mögliche und zumutbare Vorkehrungen dafür zu schaffen, dass Andere, die zulässigerweise mit dem Pachtobjekt in Kontakt kommen, durch vom Pachtobjekt drohende Gefahren nicht geschädigt werden. Das bedeutet, dass die Beklagte grundsätzlich - neben der Pächterin - für den gefahrlosen Aufenthalt von Gästen im Außenbereich der Gaststätte verkehrssicherungspflichtig war und ist, und zwar konkret primär gegenüber Gefahren, die ihre Ursache im baulichen Zustand des Geländes haben (BGH, NJW 1985, 270, 271).
a. Indes beinhaltet der bauliche Zustand des Innenhofbereichs per se keine absicherungsbedürftigen Gefahrenstellen.
Die bauliche Gestaltung des Außenbereichs - wie er sich aus den zur Akte gereichten Lichtbildern (Bl. 8, 48, 56 ff. und Anlage zu Bl. 99a GA) ergibt - lässt deutlich erkennen, dass sich - auf dem von der Klägerin beschrittenen Weg (Lichtbilder Anlage zu Bl. 99a GA) - im direkten Anschluss an das Gaststättengebäude im Innenhofbereich zunächst baulich ein gepflastertes Plateau befindet, das höher gelegen ist als das restliche Gelände. Der Höhenunterschied wird optisch besonders augenfällig, da das - etwa 11 cm höher angelegte - Plateau gepflastert und die neben dem Plateau entlang des Weges befindlichen Flächen mit hellem Kies belegt sind. Durch die Verwendung unterschiedlichen Materials in unterschiedlicher Farbe zeigt sich für den (aufmerksamen) Betrachter sofort ein Höhenversatz der Flächen. Die Plateaukante ist ferner durch einen dunklen Pflasterrand hervorgehoben. Diese ...