Leitsatz (amtlich)

1. Wählt der Eigentümer eines durch einen Verkehrsunfall beschädigten Kanalinspektionsfahrzeugs den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind, wenn ein Markt für die Ersatzbeschaffung eines Gebrauchtwagens mit Kanalinspektionsausrüstung nicht existiert, die Umrüstung eines im Übrigen gleichwertigen Gebrauchtwagens zu einem Kanalinspektionsfahrzeug jedoch mit verhältnismäßigem Aufwand möglich ist, die (fiktiven) Umrüstungskosten als zusätzlicher Rechnungsposten in die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einzustellen und damit im Rahmen des Anspruchs des Geschädigten auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB) ersatzfähig (in Anschluss an BGH Urt. v. 23.5.2017 - VI ZR 9/17, r+s 2017, 441).

2. Ist die Grenze der Verhältnismäßigkeit hingegen - wie hier - im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitspostulat (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB) überschritten, kann nur auf Reparaturkostenbasis abgerechnet werden (in Fortschreibung zu BGH Urt. v. 23.5.2017 - VI ZR 9/17, r+s 2017, 441).

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 1, 2 S. 1, § 251 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 21 O 402/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.06.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Az.: 21 O 402/20) abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 24.791,86 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 00.03.2019 auf der Bundesautobahn 00 im Bereich der Ausfahrt A ereignete.

Der Fahrer des von der Beklagten zu 2) gehaltenen und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten LKWs im Unfallzeitpunkt war der Beklagte zu 3).

Bei dem Unfall wurde der im Eigentum der Klägerin stehende Automarke01 -Modell01 mit dem amtlichen Kennzeichen KZ01 (Erstzulassung 2012), bei welchem es sich um ein mit einer nachträglich Kanalinspektionseinrichtungen versehenes Spezialfahrzeug handelt, im Bereich des linken Hecks und der dortigen Außenbeplankung beschädigt.

Ein Gebrauchtwagenmarkt für Fahrzeuge mit der von der Klägerin eingebauten Zusatzausstattung existiert nicht.

Die volle Haftung der Beklagten für die Folgen des Unfalls dem Grunde nach ist unter den Parteien außer Streit.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten zu 1) vorprozessual auf Grundlage eines bei der B eingeholten Schadensgutachtens vom 26.4.2019 unter dem 18.10.2019 zunächst einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 83.338,20 EUR geltend.

Die Beklagte zu 1) zahlte jedoch an die Klägerin unter dem 8.1.2020 nur einen Betrag in Höhe von 37.150,72 EUR, welcher sich aus

Reparaturkosten in Höhe von 26.151,26 EUR,

Sachverständigenkosten in Höhe von 1.320,93 EUR,

einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR,

Kosten für eine Notreparatur des Automarke01 in Höhe von 3.880,63 EUR,

Kosten für eine Notreparatur des be-Systems in Höhe von 4.632,90 EUR

und Vorhaltekosten für die Notreparatur von 1.140,00 EUR

zusammensetzt.

Die Parteien streiten infolgedessen gerichtlich darum, wie der klägerische Schadensersatzanspruch der Höhe nach fiktiv zu berechnen ist.

Die Klägerin hat hierzu erstinstanzlich die Ansicht vertreten, sie sei dazu berechtigt, den Fahrzeugschaden fiktiv auf Totalschadensbasis abzurechnen. Dementsprechend verlangte sie zunächst erstinstanzlich die Zahlung weiterer 37.197,48 EUR mit der Begründung, außer dem Ersatz des unstreitigen Netto-Wiederbeschaffungsaufwandes für das Grundfahrzeug im unausgebauten Zustand von 13.348,74 EUR könne sie auf Grundlage des B-Gutachtens vom 26.4.2019 zusätzlich Ersatz fiktiver Umbaukosten von netto 50.000,00 EUR verlangen.

Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 19.4.2021 die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über den erforderlichen Kostenaufwand für die Umrüstung eines Ersatzfahrzeugs mit der Spezialausstattung des Klägerfahrzeugs angeordnet hatte, ist unter den Parteien unstreitig geworden, dass sich diese Kosten auf netto 37.594,00 EUR belaufen.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die Klägerin könne nur auf Reparaturkostenbasis abrechnen.

Unter Zugrundelegung von Umbaukosten in Höhe von 37.594,38 EUR betrage der Wiederbeschaffungswert des Spezialfahrzeugs netto 61.094,38 EUR (23.500,00 EUR Wiederbeschaffungswert des Grundfahrzeugs zzgl. Umbaukosten i.H.v. 37.594,38 EUR) und der Wiederbeschaffungsaufwand netto 50.943,12 EUR. Beide Beträge lägen weit oberhalb der erforderlichen Reparaturkosten.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung in Höhe von 24.791,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von...

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