Leitsatz (amtlich)
Ist bei versenkbaren Straßensperren (sog. Poller) eine unfallfreie Passage bei abgesenktem Zustand nicht gewährleistet, etwa weil die Anlage auf sich ihr nähernde Fahrzeuge nicht rechtzeitig anspricht, ist eine entsprechende Warnbeschilderung unerlässlich. Dazu reichen nicht amtliche, unauffällige und zu hoch angebrachte Schilder ebenso wenig aus, wie kleine in einer Säule verkleidete Lichtsignals, die rotes oder grünes Licht abstrahlen.
Allerdings trifft den Fahrzeugführer ein Mitverschulden, wenn er sich über ein zeitlich beschränktes Durchfahrtsverbot hinweg setzt und bei abgesenktem Poller in eine an sich gesperrte Straße einfährt.
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 23.04.2007; Aktenzeichen 1 O 66/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das am 23.4.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Siegen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.421,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 21.6.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung Schadensersatz wegen Beschädigung einer ihrer Taxen anlässlich eines Verkehrsunfalls am 29.5.2005 in der L Straße in P2. Die L Straße ist eine Einbahnstraße im Stadtzentrum der Beklagten, die Höchstgeschwindigkeit war zum Unfallzeitpunkt auf 30 km/h beschränkt, die Zufahrt erfolgt über die N-Straße und wurde seinerzeit von 19.00 Uhr bis 5.00 Uhr morgens über eine elektronisch steuerbare Polleranlage geregelt. Eingangs der L Straße befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls das Verkehrszeichen 260 zu 41 StVO "Verbot für Kraftfahrzeuge aller Art von 19.00 Uhr bis 5.00 Uhr". Wenige Meter entfernt im weiteren Verlauf der L Straße war an einer Straßenlaterne zudem ein Warnschild mit der Aufschrift "Achtung automatische Polleranlage Schritttempo fahren" angebracht. Jenseits dieses Warnschildes befinden sich auch heute noch an beiden Seiten des Fahrbahnrandes die Pfosten für die Steuerung der Poller, diese sind aus dunklem Metall und an ihrem Kopf befinden sich jeweils Einlassungen für rotes und grünes Licht. Wiederum jenseits dieser Pfosten sind - zwischen zwei rot-weiß schraffierten Begrenzungspfählen unmittelbar am Fahrbahnrand - in die Fahrbahn zwei versenkbare Poller eingelassen. Diese Poller können von den Anliegern und sonstigen berechtigten Personen mittels einer Karte oder mittels Fernbedienung elektronisch versenkt werden. Im Anschluss werden die Poller automatisch wieder hochgefahren. Wegen der genauen Örtlichkeit zum Zeitpunkt des Unfalls wird auf die zu den Akten gereichten Lichtbilder, Bl. 80 ff. der Akten verwiesen.
Nach der Darstellung der Klägerin ist der bei ihr angestellte Taxifahrer - der inzwischen verstorbene Zeuge O - am 29.5.2005 wenige Minuten nach 19.00 Uhr unmittelbar hinter einem Anwohner, der zuvor mittels seiner Karte die Poller versenkt hatte, mit dem Taxi der Klägerin in die L Straße eingefahren, um dort zu wenden. Als er über die Poller gefahren sei, seien diese in der Aufwärtsbewegeung begriffen gewesen, hätten das Fahrzeug hochgehoben und dabei erheblich beschädigt. Die Klägerin macht geltend, ihr Taxifahrer habe die von den Pollern ausgehende Gefährdung nicht erkennen können, da die Poller zum Zeitpunkt seines Einfahrens in die L Straße abgesenkt gewesen seien und das Licht am Kopf der Pollerpfosten grün geleuchtet hätte. Sie meint daher, die Beklagte hafte ihr wegen Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht auf Ersatz des an ihrem Fahrzeug entstandenen Schadens. Die Klägerin hat sich auf ihrer Seite die Betriebsgefahr für ihr Taxi anlasten lassen und hat daher lediglich ¾ des ihr entstandenen Fahrzeugschadens geltend gemacht.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.636,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass der Taxifahrer der Klägerin nicht nur das Durchfahrtverbot missachtet habe, sondern außerdem auch die von den Pollern ausgehende Gefährdung aufgrund der vorhandenen Warnungen und Hinweise ohne weiteres habe erkennen können und müssen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, durch die vorhandene Gestaltung des Zufahrtbereiches von der N-Straße zur L Straße werde auch der ortsunkundige Kraftfahrer ausreichend vor den Gefahren der Polleranlage gewarnt, so dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden könne.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin geltend macht, dass die zum Unfallzeitpunkt vorhandene Warnung vor der Polleranlage entgegen der Ansicht des LG nicht ausreichend gewesen sei. Insbesondere - so meint die Klägerin - sei die ...