Entscheidungsstichwort (Thema)

Windwurf- und Bruchgefahr von Bäumen

 

Leitsatz (amtlich)

Liegt zur Zeit des Schadensfalles ein hinreichend gesicherter Erkenntnisstand von einer Windwurf- und Bruchgefahr von Bäumen mit einem sog. „h/d-Verhältnis” (Verhältnis klarer: der Höhe des Stammes zu seinem Brusthöhendurchmesser) von 50 und mehr bei den für die Verkehrssicherung von Bäumen zuständigen Stellen noch nicht vor und ist deshalb ein solches Versagenskriterium nicht Gegenstand der der Verkehrssicherung dienenden regelmäßigen Baumkontrollen, vermag ein daraus resultierender Schadensfall eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch Unterlassen einer solchen Prüfung nicht zu begründen.

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 12.09.2002; Aktenzeichen 4 O 648/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten (Fiskus) wird das am 12.9.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit für einen von dem Kläger in Rechnung gestellten Fahrzeugschaden an seinem Pkw Mazda.

Der Kläger trägt vor, er sei am 4.7.2001 gegen 18.15 Uhr mit seinem Pkw auf der Bundesstraße … von S. in Richtung F. gefahren. Etwa in Höhe der Zufahrt zu dem Gut … sei von einer neben dieser Bundesstraße – ca. 3 m vom Straßenrand entfernt – stehenden Esche ein großer und völlig vertrockneter Ast auf seinen Pkw gefallen. Diese Esche sei erst wenige Monate zuvor dadurch verstärkt dem Wind ausgesetzt worden, dass eine in der Nähe stehende größere Linde unstr. gefällt worden war. Durch den Aufprall des Astes sei sein Fahrzeug im Bereich von Windschutzscheibe, Motorhaube, Stoßstange und Seitenteil hinten rechts beschädigt worden. Mit der Klage hat der Kläger seinen mit insgesamt 5.041,46 DM (2.577,66 Euro) bezifferten Schaden geltend gemacht. Der beklagte Fiskus ist diesem Begehren entgegengetreten. Er bestreitet den behaupteten Schadenshergang sowie die Identität des durch Lichtbilder dokumentierten Astes mit dem behaupteten Schadensast und stellt eine Verletzung seiner Straßenverkehrssicherungpflicht in Abrede. Das LG hat nach Vernehmung von Zeugen der Klage stattgegeben. Es hat den von dem Kläger behaupteten Schadenshergang für bewiesen erachtet, die Verantwortlichkeit des Landes für den Schadensbaum bejaht und die Sicherungspflichtverletzung darin gesehen, dass es die betreffende Esche nach Wegfall des ursprünglich vorhandenen Windschutzes nicht auch gefällt habe. Wegen der vom LG im Einzelnen getroffenen Feststellungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der beklagte Fiskus seinen Klageabweisungsantrag weiter, wobei er überhöhte Anforderungen des LG an die Überwachung von Straßenbäumen rügt.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Dem Kläger steht wegen des Schadenfalles vom 4.7.2001 gegen den Beklagten ein Schadenersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. §§ 9, 9a StrWG NW, Art. 34 GG nicht zu. Er hat nicht bewiesen, dass der Beklagte seine Pflicht zu hinreichender Sicherung der in seinen Verantwortungsbereich fallenden Bundesstraße vor umstürzenden Bäumen schuldhaft verletzt hat.

1. Der Beklagte war allerdings im Rahmen der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht gehalten, die Benutzer der B. tunlichst auch vor solchen Gefahren zu schützen, die von der hier in Rede stehenden Esche ausgehen konnten. Zwar erstreckt sich diese Pflicht nach der Rspr. des BGH nicht auch auf solche Bäume, die als Bestandteil eines neben einer Straße gelegenen Waldes „unauffällig im Wald stehen”, d.h. ihren Standort zwar am Rande eines an die Straße grenzenden Waldstücks haben, dort jedoch in keiner Weise hervortreten, weil sie keine Eigentümlichkeiten aufweisen, die sie vom Waldsaum abheben und äußerlich der Straße zuordnen (BGH v. 19.1.1989 – III ZR 258/87, MDR 1989, 719 = VersR 1989, 477). Eine derartige Unauffälligkeit der Esche ist vom LG aber wegen der Besonderheit ihres Wuchses (hoher Stamm bei geringem Stammdurchmesser) und ihrer exponierten Stellung (nach Beseitigung der ihr Windschutz bietenden Linde) verneint worden. Hiergegen hat der Beklagte keine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entspr. Einwände erhoben.

Das LG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass ein Stämmling der Esche zur Fahrbahn hin abgeknickt ist und den Pkw Mazda des Klägers beschädigt hat. Diese Darstellung des Klägers ist insb. durch die glaubhafte Aussage des Zeugen F., er habe den Stämmling über die Leitplanke hängend vorgefunden, die Lichtbilder von der beschädigten Leitplanke (vgl. Lichtbild Nr. 3 in Hülle Bl. 138 d.A.) und die dokumentierten Fahrzeugschäden des Mazda-Pkw (Lichtbilder Bl. 43 d.A.) überzeugend bestätigt worden.

2. Eine Haftung des Beklagten ist i.E. dennoch zu verneinen, weil ein schuldhafter Pflichtverstoß der zuständigen Bediensteten des Beklagten nicht festgestellt werden kann.

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