Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter gegen den Vater aus Anlass der Geburt. Geltung der Gesetzesänderung für abgelaufene Zeiträume
Leitsatz (redaktionell)
Die Neufassung von § 1615l BGB kann keine Geltung für die Beurteilung von Ansprüchen aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschrift haben, weil dies zu einer rückwirkenden Belastung der Väter nichtehelicher Kinder führen würde, mit der sie nicht rechnen müssten. Das Verbot rückwirkender Belastung der Bürger hat ebenso Verfassungsrang wie die Forderung nach der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder.
Normenkette
BGB §§ 1570, 1615l a.F.; GG Art. 6 Abs. 5
Verfahrensgang
AG Bocholt (Urteil vom 21.09.2007; Aktenzeichen 14 F 186/06) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin zu 2) wird das am 21.9.2007 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Bocholt zu Ziff. II. des Tenors teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 Betreuungsunterhalt i.H.v. insgesamt 6.282 EUR nebst folgenden Zinsen zu zahlen: 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 592 EUR seit dem 2.5.2006, aus weiteren 592 EUR seit dem 2.6.2006 und aus weiteren 592 EUR seit 2.7.2006.
Die weitergehende Klage auf Zahlung von Betreuungsunterhalt wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten werden wie folgt verteilt:
a) 1. Instanz:
Die Gerichtskosten werden dem Beklagten zu 21 % und der Klägerin zu 2) zu 79 % auferlegt.
Die Klägerin zu 2) hat 79 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) und 20 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2).
b) 2. Instanz:
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin zu 2) zu 80 % und dem Beklagten zu 20 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte und die Klägerin zu 2) haben seit September 1995 in einer nichtehelichen Gemeinschaft zusammen gelebt, aus der am 3.8.2000 der Sohn Y, der Kläger zu 1), hervorgegangen ist. Nach dem Auszug des Beklagten aus der gemeinsamen Wohnung haben die Kläger mit der im Juli 2006 eingereichten Klage Unterhaltsansprüche geltend gemacht. Nachdem der Beklagte die Ansprüche des Klägers zu 1) auf Zahlung von Kindesunterhalt durch die Jugendamtsurkunde vom 17.8.2006 hat titulieren lassen und dessen Anspruch auf Kostenerstattung wegen verzögerter Erstellung des Titels durch das erstinstanzliche Urteil zuerkannt worden ist, geht es nur noch um den auf § 1615l BGB gestützten Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 2). Insoweit liegt Folgendes zugrunde:
Die Klägerin zu 2), geboren am 1.4.1968, ist Archäologin. Sie hat nach dem Ende ihres Studiums in einigen Projekten des K Landesamtes für Archäologie gearbeitet. Welchen Verdienst sie erzielt hat, ist nicht vorgetragen. Aktuell ist sie als freie Mitarbeiterin für die Lokalredaktion F der K1 tätig.
Sie hat am 20.11.1995 ihren ersten Sohn Y1 geboren, der aus der nichtehelichen Beziehung mit L stammt. Im Zeitpunkt der Geburt lebte sie bereits mit dem Beklagten zusammen. Y1 wächst bei ihr auf.
Im Februar 2005 kam es zu erheblichen Zerwürfnissen zwischen ihr und dem Beklagten. Sie hat schon mit Schreiben vom 2.3.2005 (der Beklagte lebte noch im gemeinsamen Haus) für sich nach der Differenzmethode berechneten Betreuungsunterhalt i.H.v. 907,65 EUR, davon 143,08 EUR Krankenvorsorgeunterhalt verlangt. Sie hat das damit begründet, dass ihre Lebensverhältnisse vor der Geburt von Y durch das Zusammenleben mit dem Beklagten und dessen Einkünfte geprägt worden seien.
In der Folgezeit kam es dann zu Mediationsversuchen, um die Beziehung zu retten. Der Unterhalt wurde daher weiter vom Beklagten sichergestellt. Erst nach seinem Auszug aus dem Haus Ende März 2006 hat er Unterhaltszahlungen für die Klägerin zu 2) verweigert und nur noch Unterhalt für das gemeinsame Kind bezahlt.
Die Klägerin verlangt mit der Klage Betreuungsunterhalt i.H.v. monatlich 908 EUR. Für die Zeit von Mai bis Juli beschränkt sie ihren Anspruch unter Verrechnung der für diese Zeit geleisteten Zahlungen von monatlich bis zu 350 EUR auf 749 EUR pro Monat.
Sie hat in erster Instanz geltend gemacht, die Begrenzung des Betreuungsunterhalts für nichteheliche Mütter auf einen Zeitraum von drei Jahren ab der Geburt des Kindes sei wegen Verstoßes gegen das Gleichstellungsgebot für eheliche und nichteheliche Kinder in Art. 6 Abs. 5 GG verfassungswidrig. Weil Betreuungsunterhalt für geschiedene Ehefrauen gem. § 1570 BGB wegen des Rechts und der Pflicht zur Kinderbetreuung gewährt werde, müsse auch die nichteheliche Mutter in gleichem Umfang Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben.
Zur Höhe des Anspruchs hat sie auf ihre Berechnungen im vorprozessualen Schreiben vom 2.3.2005 verwiesen. Dabei ist sie von einem Nettoeinkommen des Beklagten als Diplomingenieur i.H.v. 2.3...