Leitsatz (amtlich)
Der Rechtsanwalt muss mit Rücksicht auf seine Verpflichtung, im Interesse des Mandanten, vermeidbare Mehrkosten zu vermeiden, Streitwertbeschwerde gegen eine überhöhte gerichtliche Streitwertfestsetzung einlegen. Der nur erstinstanzlich bevollmächtigte Anwalt hat auch für Mehrkosten einzustehen, die in den Rechtsmittelinstanzen entstehen, wenn der Fehler (hier: Addition des Streitwerts von Klage und Widerklage, die denselben Gegenstand betreffen) dort wiederholt wird.
Normenkette
BGB § § 199 ff., §§ 215, 280 Abs. 1; GKG § 45 Abs. 1 S. 1, § 45 S. 3, §§ 61, 63 Abs. 3, § 68 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 26.03.2010; Aktenzeichen 4 O 227/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weiter-gehenden Rechtsmittels - das am 26.3.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hagen abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 53.959,47 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem je-weiligen Basiszinssatz aus 2.000 EUR seit dem 21.1.2010 und aus 51.959,47 EUR seit dem 2.11.2010 zu zahlen.
Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszugs tragen die Klägerin zu 1/7 und die die Beklagte zu 6/7.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages leistet.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleis-tung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betra-ges abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Anwaltssozietät in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Honorar für die erstinstanzliche Vertretung in einem bankrechtlichen Rechtsstreit in Anspruch. Die Beklagte verlangt widerklagend Schadensersatz unter Berufung auf anwaltliche Pflichtverletzungen.
Die Beklagte und ihr Sohn waren Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Recht (nachfolgend: GbR), die eine Geschäftsbeziehung zur D (im Folgenden: Bank) unterhielt. Die Geschäfte der GbR führte der generalbevollmächtigte Ehemann der Beklagten. Die GbR wollte - kreditfinanziert - ein Mehrfamilienhaus errichten lassen und zu diesem Zweck eine Generalunternehmerin, die I GmbH & Co. KG, beauftragen. Diese sollte eine Vertragserfüllungsbürgschaft beibringen.
In diesem Zusammenhang übernahm am 11.7.1996 die damalige E (nachfolgend Bürgin) eine zeitlich befristete selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes schriftliches Anfordern bis zu 400.000 DM [204.516,75 EUR]. Die Bürgin erklärte u.a.:
"Vereinbarungsgemäß hat ... [die Generalunternehmerin]... die Kontrakterfüllung abzusichern ...
... Wir werden aus dieser Bürgschaft auf erstes schriftliches Anfordern Zahlung leisten, sofern der Auftraggeber [die GbR] uns mitteilt, dass der Auftragnehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist ...
.. Die Bürgschaft erlischt mit der Rückgabe dieser Urkunde an uns, spätestens jedoch am 31.8.1997, wenn und soweit uns nicht spätestens an diesem Tag eine Inanspruchnahme vorliegt."
Am 15.7./12.8.1996 schloss die GbR den Generalunternehmervertrag (Bl. 121 ff. d.A.). Mit der Generalunternehmerin war der 31.8.1997 als Fertigstellungszeitpunkt vereinbart. Eine zeitliche Befristung für die von der Generalunternehmerin zu stellende Vertragserfüllungsbürgschaft war nicht vereinbart. § 15 Nr. 1 des Generalunternehmervertrags sah vor: "Abtretungen werden nicht anerkannt".
Die Bank erhielt eine Abschrift des Generalunternehmervertrags. Zur Finanzierung des Bauvorhabens schloss die GbR mit der Bank am 30.9.1996 einen Darlehensvertrag ("Kreditbestätigung"). Dort erklärte die Bank u.a.:
"Als Sicherheit dienen uns bzw. erhalten wir ...
3. Abtretung der Rechte und Ansprüche aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß Generalunternehmer-Werkvertrag vom 15.07./12.8.1996 ... über DM 400.000 ..."
Sicherungsfall für die Inanspruchnahme von Sicherheiten war der Verzug der GbR mit der Zahlung der Darlehensraten (Nr. 11 der einbezogenen, für Baufinanzierungen geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank).
Mit Schreiben vom 4.11.1996 bat die Bank die Generalunternehmerin, ihr die Bürgschaftsurkunde zu übersenden. Die Bank wies auf eine Absprache mit der GbR hin, wonach die Generalunternehmerin zur Einsparung eines Postwegs die Bürgschaftsurkunde nicht der GbR, sondern direkt der Bank zur Verfügung stellen sollte (Beiakte K 25). In der Folgezeit übersandte die Generalunternehmerin der Bank die Bürgschaftsurkunde.
Am 19.11.1996 unterzeichnete die Beklagte für die GbR eine entsprechende Abtretungserklärung zugunsten der Bank zur S...