Leitsatz (amtlich)
1. Das Vorhandensein nicht offenbarter, nicht kompatibler Vorschäden stellt kein eindeutiges Indiz für ein manipuliertes Unfallgeschehen dar; vielmehr bestehen zwei alternativen: Denkbar ist zum einen, dass der vermeintlich Geschädigte in kollusivem Zusammenwirken mit dem Unfallverursacher in eine weitere Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, um sowohl einen Vorschaden als auch den neuen Schaden abzurechnen; ebenso denkbar ist aber auch, dass es sich nicht um ein fingiertes Unfallgeschehen handelt und der Geschädigte "lediglich" die günstige Gelegenheit des neuen Unfalls für eine Abrechnung von nicht auf dem Unfall beruhenden Schäden zu nutzen versucht.
2. Die Indizwirkung des Umstands, dass es sich bei dem Unfallhergang - aufgrund geringer Verletzungsgefahr, beträchtlicher Schadenshöhe und eindeutiger Haftungslage - um einen für Unfallmanipulationen besonders geeigneten Hergang handelt, kann im Einzelfall durch seine auch mit Blick auf das Randgeschehen gegebene Plausibilität relativiert werden.
Normenkette
StVG §§ 7, 17-18
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 199/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.03.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Bielefeld (Az. 8 O 199/16) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.811,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 66 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 34 %. Der Kläger trägt auch die Kosten der Nebenintervention zu 66 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
II. Die zulässige Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch gemäß §§ 7, 17, 18 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 VVG zu. Denn der Beklagte zu 1) hat den klägerischen Pkw bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch des Klägers aber nur auf Reparaturkosten in Höhe von 8.786,46 EUR zuzüglich allgemeiner Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen. Demgegenüber besteht ein Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht. Auch der Feststellungsantrag mit Blick auf Zukunftsschäden ist unbegründet.
a) aa) Der Kläger ist als Eigentümer des unfallgeschädigten Audi A 8 für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aktivlegitimiert.
Zwar hat sich zunächst der Zeuge C nach dem Verkehrsunfall um die Schadensregulierung gekümmert. Dies steht der Annahme des Eigentums des Klägers am Pkw zur Überzeugung des Senats aber nicht entgegen.
Der Kläger und der Zeuge C haben den Hintergrund dessen in erster Instanz im Kern übereinstimmend geschildert. Beide haben angegeben, dass der Pkw aus gemeinschaftlichen Mitteln angeschafft worden sei und zunächst auch gemeinschaftlich genutzt werden sollte und für kurze Zeit auch wurde. Die Anmeldung des Pkw und die Versicherung seien zwar auf den Namen des Zeugen C erfolgt, intern habe aber der Kläger sämtliche laufenden Kosten getragen. Der Zeuge C hat zudem bekundet, der Pkw sei ihm - nachdem wenige Wochen nach dem Kauf ein Getriebeschaden aufgetreten sei - zu teuer geworden und sei fortan ausschließlich durch den Kläger genutzt worden. Selbst wenn zunächst bei der gemeinschaftlichen Nutzung von Mitbesitz des Klägers und des Zeugen C auszugehen war, zog die vereinbarungsgemäß nach dem Getriebeschaden erfolgte ausschließliche Nutzung durch den Kläger die Begründung von Alleinbesitz nach sich, so dass für das Eigentum des Klägers auch § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB streitet. Dieser gilt auch für den Erwerb von Alleinbesitz durch einen vormaligen Mitbesitzer (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 19.09.2002, Az. 9 U 31/01, NJW 2003, 1055).
Dementsprechend ist auch das Landgericht in seiner erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlich vom Eigentum des Klägers ausgegangen. Das Eigentum ist sodann im Rahmen des Berufungsverfahrens von Seiten der Beklagten auch nicht mehr bestritten worden.
bb) Der Senat hat nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme keinen Zweifel daran, dass es am 16.11.2015 zu der vom Beklagten zu 1) geschilderten Kollision zwischen dem von ihm gefahrenen Pkw sowie dem Anhänger und dem am Straßenrand geparkten klägerischen Fahrzeug gekommen ist.
Sofern - wie vorliegend - der objektive Tatbestand der Rechtsgutsverletzung streitig ist, obliegt es dem Anspruchsteller, darzulegen und im Wege des Strengbeweises zu beweisen, dass durch einen ganz konkreten Geschehensablauf der von ihm behauptete Schaden durch das versicherte...