Leitsatz (amtlich)

Wählt das AG im Rahmen seines Ermessens gem. § 495a ZPO ein dem § 128 Abs. 3 ZPO a.F. entsprechendes schriftliches Verfahren, kann der Kläger mit der Folge der Ermäßigung auf 1 Gebühr die Klage bis zu dem Zeitpunkt zurücknehmen, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht (GKG KV-Nr. 1211 Nr. 1b). Die Regelungen in KV-Nr. 1211 Nr. 1c sind ggü. Nr. 1a und 1b subsidiär.

 

Normenkette

GKG KV-Nr. 1211 Nr. 1b; GKG KV-Nr. 1211 Nr. 1c; ZPO § 128 Abs. 3 a.F., § 495a

 

Verfahrensgang

LG Mosbach (Beschluss vom 06.06.2005; Aktenzeichen 1 T 16/05)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des LG Mosbach vom 6.6.2005 - 1 T 16/05 - wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Mit Beschl. v. 6.6.2005 hat das LG Mosbach gegen seine Beschwerdeentscheidung die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung anstehenden Frage zugelassen (§ 66 Abs. 4 S. 1 GKG). Das daraufhin von der Staatskasse zulässigerweise eingelegte Rechtsmittel ist nicht begründet, da die Entscheidung des LG Mosbach nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 66 Abs. 4 S. 2 GKG).

1. Grundsätzlich entstehen die Verfahrensgebühren mit dem Eingang des jeweiligen Antrags (§ 6 Abs. 1 GKG) in dreifacher Höhe (KV-Nr. 1210). KV-Nr. 1211 ist als Ausnahme hierzu konzipiert und dient der Kostengerechtigkeit (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., KV-Nr. 1210 Rz. 1, 2). Die Vorschrift stellt auf einfach fassbare Voraussetzungen einer Gebührenermäßigung ab.

2. Im vorliegenden Falle hat der Kläger die Klage zurückgenommen, nachdem das AG gem. § 495a ZPO am 19.8.2004 angeordnet hat, es sei schriftlich zu verhandeln, und Verkündungstermin auf den 8.10.2004 bestimmt hat. Damit war die Klagerücknahme vom 28.9.2004 nach dem Wortlaut der KV-Nr. 1211 Nr. 1b nicht mehr gebührenreduzierend möglich, da sie nach der Zustellung des Termins zur Urteilsverkündung beim AG eingegangen ist. Die Vorschrift privilegiert nämlich die Zurücknahme der Klage im Verfahren nach § 495a ZPO, in dem eine mündliche Verhandlung nicht statt findet, nur dann, wenn sie vor Ablauf des Tages eingeht, an dem eine Ladung zum Termin zur Verkündung des Urteils zugestellt oder das schriftliche Urteil der Geschäftsstelle übermittelt wird. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass eine erhebliche Ermäßigung der Verfahrensgebühr (um 2/3) dann gerechtfertigt ist, wenn das Verfahren als Ganzes vorzeitig, das heißt, bevor in der Angelegenheit schon aufgrund der Befassung des Gerichts in der Sache ein Urteil ergangen ist, beendet wird, wenn mithin dem Richter ein zeitaufwendiges Absetzen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe erspart bleibt oder wenn er sich aus anderen Gründen nicht mehr mit der Sache befassen muss (Meyer, Kommentar zum GKG, 6. Aufl., 2004, KV-Nr. 1211 Rz. 32).

3. KV-Nr. 1210 Nr. 1c ist nur dann anwendbar, wenn im Verfahren nach § 495a ZPO eine mündliche Verhandlung nicht statt findet. Im vorliegenden Fall hat das AG unter Verwendung des Prozessformulars ZPO 14 a.F. (Anordnung des schriftlichen Verfahrens gem. § 128 Abs. 3 ZPO) angeordnet, dass schriftlich zu verhandeln ist, und dabei auf dem Formular den vorgedruckten § 128 Abs. 3 ZPO a.F. gestrichen und handschriftlich durch § 495a ZPO ersetzt. Damit hat der erkennende Richter angeordnet, dass das Bagatellverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen so gestaltet wird, wie es dem zwischenzeitlich aufgehobenen § 128 Abs. 3 ZPO entsprochen hat.

a) Der erkennende Richter hat im Rahmen des § 495a ZPO ein doppeltes Ermessen. Er hat zunächst zu entscheiden, ob er überhaupt das vereinfachte Verfahren wählt. Im Falle einer positiven Entscheidung über die Verfahrensart ist ihm die Verfahrensgestaltung nach pflichtgemäßem Ermessen übertragen (Musielak/Wittschier, ZPO-Kommentar, 4. Aufl., 2005, § 495a Rz. 5 f.), wobei weitgehend die §§ 355 bis 455 ZPO zur Disposition stehen.

Mit Beschl. v. 19.8.2004 hat sich der Amtsrichter für das vereinfachte Verfahren entschieden und die Verfahrensgestaltung dem durch das ZPO-Reformgesetz abgeschafften § 128 Abs. 3 ZPO unterworfen. Jenes Verfahren hat sich von § 128 Abs. 2 ZPO dadurch unterschieden, dass ein vermögensrechtlicher Anspruch bis 1.500 DM geltend gemacht wird, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten und einer Partei das persönliche Erscheinen unzumutbar ist; bei diesen Voraussetzungen konnte das erkennende Gericht von Amts wegen anordnen, dass schriftlich zu verhandeln ist.

Vor diesem Hintergrund hat das LG Mosbach im angefochtenen Beschluss zu Recht entschieden, dass der hier zu beurteilende Sachverhalt in KV-Nr. 1211 Nr. 1b geregelt ist. In allen Fällen, in denen das erkennende Gericht wie hier im Rahmen von § 495a ZPO die Verfahrensgestaltung nach § 128 Abs. 3 ZPO a.F. wählt, kann der Kläger in gebührenbegünstigender Weise die Klage bis zu dem Termin zurück nehmen, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht. Es ist grundsätzlich anzunehmen, dass ein Geri...

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