Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung bei Berufungsrücknahme

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3201

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 20.01.2009; Aktenzeichen 5 O 313/07)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Freiburg vom 20.1.2009 - 5 O 313/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 344,51 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat die Rechtspflegerin des LG eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV festgesetzt, nachdem die Berufung vom Beklagten vor Begründung zurückgenommen worden ist.

Die Beschwerde macht geltend, der Klägerin stehe ein Kostenerstattungsanspruch für das Berufungsverfahren nicht zu und stützt sich dabei auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 20.1.2009 (18 WF 207/08; ebenso OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 658). Die in Bezug genommenen Entscheidungen vertreten die Auffassung, ungeachtet eines Auftrags des Berufungsbeklagten für das Berufungsverfahren stehe bei Rücknahme der Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist einem Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts des Berufungsbeklagten für das Berufungsverfahren § 19 Abs. 1 RVG entgegen, weil die Prüfung, ob die Berufung der Gegenseite rechtzeitig eingelegt worden sei, für den erstinstanzlichen Rechtsanwalt gleichzeitig eine Neben- oder Abwicklungstätigkeit i.S.v. § 19 Abs. 1 RVG darstelle.

Dem folgt das Beschwerdegericht nicht, da sich die in Bezug genommenen Entscheidungen damit in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH setzen, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Nach der Rechtsprechung des BGH zur BRAGO ist bei einer nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung zwar ein die volle Prozessgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels im erstattungsrechtlichen Sinne nicht notwendig, solange ein Berufungsantrag nicht gestellt und eine Begründung nicht eingereicht worden ist, so dass die volle Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren nicht anfällt. Jedoch kann ein Berufungsbeklagter, der einen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beauftragt hat, eine 13/20-Gebühr erstattet verlangen, weil der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf (BGH, Beschl. v. 17.12.2002 - X ZB 9/02, NJW 2003, 756 - Jurisausdruck Tz. 13). In der genannten Entscheidung hat der BGH auch darauf hingewiesen, dass die Beratung in Angelegenheiten der Berufungsinstanz nicht zu den Tätigkeiten gehört, die von der Gebühr des im vorangegangenen Rechtszug tätigen Rechtsanwalts abgedeckt sind, § 37 Nr. 7 BRAGO (BGH, a.a.O., Tz. 12 a.E.). Dass aber für § 19 Abs. 1 RVG die gleichen Grundsätze wie für die (gleichartige) frühere Regelung in § 37 Ziff. 7 BRAGO gelten, nimmt auch die vom Beschwerdeführer herangezogene Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 20.1.2009 an (s. dort S. 4 - AS. 149).

Die Rechtsprechung des BGH gilt auch nach Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.7.2008 - 11 W 19/07 - Jurisausdruck Tz. 5). Deshalb ist die Zuerkennung einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV begründet, weil der Berufungsbeklagte nach Einlegung der Berufung seinerseits anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und nach Rücknahme der Berufung grundsätzlich Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten beanspruchen kann (BGH NJW 2007, 3723). Die verminderte Verfahrensgebühr setzt nämlich nicht voraus, dass in der Sache selbst Anträge gestellt werden oder Sachvortrag erfolgt (OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2006, 1096 f.).

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, er sei für das Berufungsverfahren beauftragt worden und habe seiner Mandantin nach Eingang der Berufung mitgeteilt, dass die Berufung rechtzeitig eingegangen sei und er nach Vorlage der Berufungsbegründung auf die Sache zurückkommen werde. Dabei hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, was auch gerichtsbekannt ist, darauf hingewiesen, dass die früheren Eheleute seit Jahrzehnten eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten führen und aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen damit zu rechnen gewesen sei, dass der Beklagte gegen das Urteil Berufung einlegen werde.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist daher nicht begründet. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da von der gefestigten Rechtsprechung des BGH nicht abgewichen wird. Trotz der genannten abweichenden Entscheidungen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vor, § 574 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht den festgesetzten Kosten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2285687

FamRZ 2010, 61

FF 2010, 44

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