Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beschwerdebefugnis von Pflegeeltern gegen eine erstinstanzliche Kostenentscheidung in einem Kindeswohlgefährdungsverfahren, durch welche die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben wurden.
2. Der Grundsatz, dass in Kindschaftsverfahren in der Regel die Kostenaufhebung der Billigkeit entspricht, ist nicht ohne Weiteres auf Verfahren zu übertragen, bei denen neben den Eltern weitere Personen oder Institutionen formal und/oder konkludent am Verfahren beteiligt sind. Dies betrifft insbesondere Verfahren, bei denen kinderschutzrechtliche Maßnahmen zu (über)prüfen und an denen neben dem Jugendamt häufig auch Pflegeeltern beteiligt sind.
3. Eine Kostenlast der Pflegeeltern entspricht in der Regel nach § 81 FamFG nicht billigem Ermessen.
Verfahrensgang
AG Mannheim (Aktenzeichen 6 F 2173/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Pflegeeltern wird Ziffer 3 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Mannheim, AZ 6 F 2173/22, vom 04.10.2023 - erlassen am 05.10.2023 - aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Gebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand der Beschwerde ist die erstinstanzliche Kostenentscheidung in einem Sorgerechtsverfahren.
Der am ... geborene L. L. ist das zweite Kind der M. L., geboren am ... (im Folgenden Mutter). Eine Vaterschaftsanerkennung für L. liegt nicht vor.
Seit dem 15.05.2020 lebt L. aufgrund einer seit mehreren Jahren bestehenden, chronischen Heroinabhängigkeit der Mutter in Vollzeitpflege bei den beschwerdeführenden Pflegeeltern (im Folgenden Pflegeeltern).
Mit Beschluss vom 14.08.2019 entzog das Amtsgericht Mannheim (AZ 6 F 2169/19) der Mutter die elterliche Sorge für L., die sie bis dahin alleine ausübte, vorläufig und bestimmte das Jugendamt der Stadt M. zum Vormund. Das zuständige Oberlandesgericht Karlsruhe wies mit Beschluss vom 31.01.2020 (AZ 16 UF 187/19) die dagegen eingelegte Beschwerde der Mutter zurück.
Ein amtswegiges Hauptsacheverfahren und/oder Überprüfungsverfahren fand hiernach nicht statt.
Mit Schriftsatz vom 28.02.2022 beantragte im vorliegenden Verfahren die Mutter die Rückübertragung des Sorgerechts. Sie sei nunmehr stabil. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die ihr mit Beschluss vom 02.08.2022 bewilligt wurde.
Parallel war vor dem Amtsgericht Mannheim, AZ 6 F 1477/22, ein Umgangsverfahren anhängig, mit dem die Mutter eine Ausweitung der Umgangskontakte begehrte.
In hiesigem Verfahren beantragten die Pflegeeltern mit Schriftsatz vom 18.11.2022, sie förmlich am Verfahren zu beteiligen. Eine gerichtliche Entscheidung über diesen Antrag erging nicht; die Pflegeeltern wurden gerichtsintern in der EDV als Beteiligte erfasst.
Darüber hinaus beantragten die Pflegeeltern mit Schriftsatz vom 19.01.2023, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, Zurückweisung des mütterlichen Antrags, hilfsweise den Erlass einer Verbleibensanordnung.
Mit Beschluss vom 30.01.2023 hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zur Frage der Kindeswohlgefährdung von L. im Falle der Rückkehr in den mütterlichen Haushalt und zum Umgangsrecht eingeholt.
Am 11.05.2023 ließ die Mutter über ihren Verfahrensbevollmächtigten mitteilen, dass sie ihren Sorgerechtsantrag nicht länger weiterverfolge. Die Mutter selbst teilte dem Gericht mit Schreiben vom 19.05.2023 mit, dass sie ihren Antrag zwar zurücknehme, sie aber mit einem Verbleib von L. in der Pflegefamilie weiterhin nicht einverstanden sei.
Das Sachverständigengutachten wurde am 02.08.2023 erstattet.
Das Jugendamt berichtete mehrfach umfassend; auf die Berichte des Sozialen Dienstes vom 06.09.2022, vom 17.10.2022 und vom 18.07.2023 sowie des Pflegekinderdienstes vom 07.07.2021 wird Bezug genommen.
Am 25.09.2023 hat das Amtsgericht L., die Verfahrensbeiständin, das Jugendamt, den Amtsvormund und den Pflegevater angehört. Die Mutter ist unentschuldigt nicht zum Anhörungstermin erschienen; sie hat den Kontakt zu den Behörden seit Juli 2023 abgebrochen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Anhörungsvermerk verwiesen.
Mit Beschluss vom 04.10.2023, erlassen am 05.10.2023, hat das Amtsgericht der Mutter die elterliche Sorge für das Kind L. L., geboren am ..., endgültig entzogen (Ziffer 1), Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt der Stadt M. zum Vormund bestimmt (Ziffer 2), die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben (Ziffer 3) und den Verfahrenswert festgesetzt (Ziffer 4).
Mit am 02.11.2023 per beA beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag haben die Pflegeeltern gegen die Kostenentscheidung in dem ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 05.10.2023 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Bei der tenorierten Kostenaufhebung hätten die Pflegeeltern zu befürchten, anteilig für die nicht unerheblichen Gerichtskosten zu haften...