Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge im Verfahren nach § 1666 BGB: Einlegung der Anschlussbeschwerde zu richterlichem Protokoll; Prüfungsumfang bei beschränkt eingelegter Beschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

1. In FG-Familiensachen kann eine (Anschluss-) Beschwerde wirksam zu richterlichem Protokoll eingelegt werden. Die Protokollierung kann auch in Form eines Vermerks nach § 28 Abs. 4 FamFG erfolgen; dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die maßgebliche Erklärung entsprechend § 162 Abs. 1 ZPO vorläufig aufgezeichnet, den Beteiligten nochmals vorgespielt und von diesen - wie aus dem Vermerk ersichtlich - genehmigt wurde.

2. Eine Entscheidung nach § 1680 Abs. 2, 3 BGB kann im Beschwerdeverfahren nur ergehen, wenn gleichzeitig mitüberprüft wird, ob die Voraussetzungen der zu Grunde liegenden Entziehung des Sorgerechts des anderen Elternteils weiter vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde sich nicht gegen die Entziehung des Sorgerechts eines alleinsorgeberechtigten Elternteils richtet, sondern nur gegen die unterbliebene Übertragung auf den anderen Elternteil (den Beschwerdeführer).

 

Verfahrensgang

AG Singen (Entscheidung vom 02.05.2016; Aktenzeichen 2 F 693/14)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Vaters und die Anschlussbeschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Singen vom 02.05.2016 (2 F 693/14) zu Ziffer 1 und Ziffer 2 aufgehoben.

Die elterliche Sorge für das Kind ..., geboren am ..., wird den Eltern gemeinsam übertragen.

2. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Dem Vater wird für das Beschwerdeverfahren mit Wirkung zum 03.07.2017 (Zeitpunkt der Antragstellung) ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., ..., bewilligt. Dem Vater wird aufgegeben, einen Bescheid über den vom ihm gestellten Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld vorzulegen, sobald er diesen erhalten hat.

4. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 3.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die elterliche Sorge für ..., geboren am ....

Die Eltern ... waren und sind nicht miteinander verheiratet. Die elterliche Sorge für ... stand ursprünglich der Mutter zu. Mit dem das vorliegende Verfahren einleitenden Schriftsatz vom 17.12.2014 beantragte der Vater die Einräumung des gemeinsamen Sorgerechts; unter dem 11.08.2015 beantragte er stattdessen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts. Am 22.02.2016 leitete das Amtsgericht das Verfahren in ein Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB über. Am 07.03.2016 übergab die Mutter ... in die Obhut der Großeltern väterlicherseits, wo sich das Kind seitdem aufhält, und zwar zwischenzeitlich im Rahmen eines mit dem Jugendamt bestehenden Pflegeverhältnisses.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 02.05.2016 der Mutter die elterliche Sorge entzogen und das Jugendamt zum Vormund eingesetzt. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater hat es abgelehnt; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vaters. Mit der im Termin vor dem Senat am 04.07.2017 zu gerichtlichem Protokoll erhobenen Anschlussbeschwerde erstrebt die Mutter die Wiederherstellung ihres Sorgerechts. Übereinstimmend haben beide Eltern im Termin erklärt, die Einräumung des gemeinsamen Sorgerechts zu wünschen. Zudem haben sie übereinstimmend erklärt, ... solle ihren Lebensmittelpunkt weiter bei den Großeltern väterlicherseits haben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Sowohl die Beschwerde als auch die Anschlussbeschwerde sind zulässig. Die Rechtsmittel haben auch in der Sache Erfolg.

1. a) Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Vaters ist insgesamt zulässig.

b) Auch die Anschlussbeschwerde der Mutter ist zulässig (§ 66 FamFG). Sie ist an eine Frist nicht gebunden. Ferner ist die Form gewahrt. Zwar ist in § 66 FamFG nur von der Einreichung einer Beschwerdeschrift die Rede, doch erscheint es ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die Anschlussbeschwerde strengeren Formerfordernissen unterwerfen wollte als die Beschwerde; daher ist auch die Einlegung zur Niederschrift der Geschäftsstelle entsprechend § 64 Abs. 2 FamFG zuzulassen (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 19. Auflage 2017, § 66 Rn. 15). Letzterer ist die Einlegung der Beschwerde zu richterlichem Protokoll gleichzustellen (vgl. OLG Düsseldorf vom 10.01.2011 - II-3 WF 148/10, FamRZ 2011, 1081, juris Rn. 23; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage 2016, § 569 Rn. 9). Die Protokollierung kann auch in Form eines Vermerks nach § 28 Abs. 4 FamFG erfolgen (so auch LG Kleve vom 07.02.2017 - 4 T 34/17, juris Rn. 5). Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - die maßgebliche Erklärung entsprechend § 162 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu Keidel/Sternal a.a.O. § 28 Rn. 28) vorläufig aufgezeichnet, den Beteiligten nochmals vorgespielt und von diesen - wie aus dem Vermerk ersichtlich - genehmigt wurde.

c) Im Übrigen sähe sich der Senat an einer Entscheidung im Sinne des Tenors...

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