Leitsatz (amtlich)

§ 1812 BGB schränkt die Vertretungsmacht des Betreuers nicht umfassend ein.

 

Normenkette

BGB § 1812 Abs. 1, §§ 1821-1822, 1907, 1908i Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Aktenzeichen 4 O 119/06)

 

Tenor

Die der Klägerin die beantragte Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung des LG K. vom 23.8.2006 wird aufgehoben.

Der Kläger wird für das Verfahren erster Instanz antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

 

Gründe

I. Die Klägerin betreibt nach ihrem Vortrag ein Dienstleistungs- und Dienstleistungsvermittlungsunternehmen. Sie begehrt Prozesskostenhilfe für eine Leistungsklage gegen die unter Betreuung stehende Beklagte, der sie nach eigenem Vortrag im Jahr 2005 bislang unbezahlte Dienstleistungen im Wert von 28.612,36 EUR erbracht hat.

Das LG K. hat den Antrag mit Beschluss vom 23.8.2006 abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass ein wirksamer Dienstvertrag mit ihr geschlossen worden sei. Zum einen sei nicht dargetan, wie zum Ausdruck gebracht worden sein sollte, dass ein Vertrag mit der Klägerin und nicht mit dem Ehemann der Klägerin geschlossen wurde. Zum anderen sei zu den erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen nichts ausgeführt worden.

II. Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich EB am 25.8.2006 zugegangenen Beschluss haben diese mit Schriftsatz vom 8.9.2006 (beim LG eingegangen am 8.9.2006) sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerin habe mit Schriftsatz vom 19.5.2006 zu dem Vertragsabschluss vorgetragen und Beweis angeboten.

Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 22.9.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Hinweisschreiben des Berichtserstatters vom 20.12.2006 wurde die Klägerin aufgefordert, zur Frage eventuell erforderlicher vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen vorzutragen. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.1.2007 erklärt, im vorliegenden Fall sei eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht erforderlich. Zum einen betreffe § 1812 Abs. 1 Satz 2 nur die Eingehung von Verpflichtungen zu Verfügungen und damit nicht den gegenständlichen Regelungsbereich. Zum anderen gelte das Genehmigungserfordernis des § 1812 BGB nur im Bereich der Vermögenssorge. Der hier gegenständliche Schuldvertrag sei aber dem Bereich der Personensorge zuzurechnen.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

III. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das LG K. hat die Erfolgsaussichten der von der Klägerin beabsichtigten Klage zu Unrecht verneint.

Die von dem LG vermisste substantiierte Darlegung eines Vertragsabschlusses zwischen den Parteien findet sich mit Beweisangebot auf S. 2 des klägerischen Schriftsatzes vom 19.5.2006. Hierauf wurde mit der Beschwerde zutreffend hingewiesen.

Die vom LG als fehlend gerügten Ausführungen zu den erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen stehen der Annahme einer Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO gleichfalls nicht entgegen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass zur Wirksamkeit des gegenständlichen Schuldverhältnisses die Genehmigung des Vertrags durch das Vormundschaftsgericht erforderlich gewesen wäre.

Nach dem im Betreuungsrecht gem. § 1908i Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend anwendbaren § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB benötigt der Betreuer zur wirksamen Verfügung über eine Forderung oder über ein anderes Recht, kraft dessen der Betreute eine Leistung verlangen kann, die Genehmigung des Gegenbetreuers, hilfsweise gem. § 1812 Abs. 2 BGB der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Diese Beschränkung der ansonsten sehr weiten Vertretungsmacht des Betreuers gilt gem. § 1812 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für die Eingehung der Verpflichtung zu einer solchen Verfügung. Die unmittelbar auf die preußische Vormundschaftsordnung von 1875 zurückgehende Norm des heutigen § 1812 Abs. 1 BGB bezweckte dabei von Anfang an keinen umfassenden Schutz des Mündels, sondern wollte auch den Rechtsverkehr nicht zu stark durch Genehmigungserfordernisse einschränken (vgl. Damrau, Das Ärgernis um §§ 1812, 1813 BGB, FamRZ 1984, 842 [844]). Kern der Überlegung des historischen Gesetzgebers war es, besonders gefährdete "Kapitalien", Ansprüche auf Geldleistungen und Wertpapiere, einem besonderen Schutz zu unterstellen. Nicht jeder möglichen Benachteiligung durch den Betreuer sollte deshalb durch das Genehmigungserfordernis vorgebeugt werden, sondern nur der Gefahr, dass an die Stelle eines seiner Art nach gegen eine Unterschlagung gut gesicherten Rechtes ein leicht entziehbares Objekt tritt, das dann leichter veruntreut werden kann (vgl. Damrau, a.a.O.). Deshalb hindert § 1812 Abs. 1 BGB den Betreuer auch nicht daran, das Eigentum an beweglichen Sachen des Betreuten auf Dritte zu übertragen (vgl. Staudinger/Engler (2004) § 1812 Rz. 48; Soergel/Zimmermann § 1812 Rz. 2; Fiala/Müller/Braun, Genehmigungen bei Vormundschaft über Minderjährige, Betreuung u...

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