Leitsatz (amtlich)
1. Gegenanträge sind im selbständigen Beweisverfahren nur zulässig, wenn sie rechtzeitig ge-stellt werden und nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führen (Anschluss OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. September 2002 - 13 W 2914/02).
2. Eine Beweisanordnung kommt - auch im selbständigen Beweisverfahren - nicht in Betracht, wenn sie eine Bauteilöffnung in einer Wohnung erfordert, der der Berechtigte nicht zustimmt.
Normenkette
ZPO § 144 Abs. 1, § 412 Abs. 1, § 485 Abs. 2-3
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Beschluss vom 21.02.2024; Aktenzeichen 3 OH 6/21) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 3 gegen den Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 21.02.2024 - 3 OH 6/21 - wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin zu 3 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Antragsteller ließen auf ihrem Grundstück ein freistehendes Einfamilienhaus errichten. Hierzu beauftragten sie die Antragsgegnerin zu 1 mit den Architektenleistungen, die Antragsgegnerin zu 2 mit den Rohbauarbeiten und die Antragsgegnerin zu 3 mit der Tragwerksplanung. Die Baumaßnahme wurde im Jahr 2020 begonnen. Im April 2021 bezogen die Antragsteller das Objekt. Noch vor Bezug des Wohnhauses kam es im Untergeschoss zu einem Wasserschaden, bei dem der Fußbodenaufbau stark durchfeuchtet wurde. Zur Klärung der Ursachen und der Verantwortlichkeit für den Wasserschaden sowie der Existenz von Planungs- und Ausführungsfehlern betreiben die Antragsteller das vorliegende selbständige Beweisverfahren.
Mit Beschluss vom 26.11.2021 ordnete das Landgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. Der beauftragte Sachverständige H. erstattete das Gutachten am 20.12.2022. In dem Gutachten führte der Sachverständige aus, dass eine mangelhafte Planung der WU-Konstruktion vorliege. Dadurch könne sich eine Sollrissstelle ausbilden, die zu einer unkontrollierten Rissbildung führen könne. Ob der Wasserschaden mit den Mängeln der WU-Konstruktion zusammenhänge, sei eher unwahrscheinlich, lasse sich aber nicht ausschließen. Mit Beschluss vom 02.03.2023 ordnete das Landgericht eine schriftliche Ergänzung des Sachverständigengutachtens unter anderem zu der Frage der Antragsgegnerin zu 3 an, ob es zerstörungsfreie Methoden gebe, um festzustellen, ob in der Bodenplatte Risse aufgetreten seien, durch die Feuchtigkeit in das Innere trete. Der Sachverständige verneinte diese Frage in seinem Ergänzungsgutachten vom 17.05.2023. Mit Schriftsatz vom 12.10.2023 beantragte die Antragsgegnerin zu 3 sodann, dem Sachverständigen aufzugeben, die Bodenplatte auf Risse zu untersuchen. Das Landgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 23.10.2023 zunächst statt. Nachdem die Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.11.2023 der Beweisanordnung entgegengetreten waren, änderte das Landgericht seinen Beschluss vom 23.10.2023 dahin ab, dass von der angeordneten Beweisaufnahme abgesehen werden soll. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin zu 3 mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
Die Antragsgegnerin zu 3 ist der Auffassung, dass es sich bei der Klärung der Frage, ob in der Bodenplatte Risse aufgetreten seien, um eine zulässige Ergänzungsfrage und nicht um einen Gegenantrag handle. Aber selbst wenn es sich um einen Gegenantrag handelte, wäre dieser im selbständigen Beweisverfahren zulässig. Im späteren Klageverfahren sei nämlich zu klären, ob die von den Antragstellern beanspruchten Mängelbeseitigungsmaßnahmen unverhältnismäßig im Sinne des § 635 S. 3 BGB seien. Davon sei auszugehen, wenn in der Bodenplatte keine Risse vorhanden seien.
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die sofortige Beschwerde bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Klärung der Frage, ob in der Bodenplatte bereits Risse aufgetreten sind, geht über den bisherigen Untersuchungsgegenstand, der auf die Klärung der Ursachen und der Verantwortlichkeit für den Wasserschaden sowie des Vorhandenseins von Planungs- und Ausführungsfehlern gerichtet ist, hinaus und ist folglich mit dem bisherigen Untersuchungsgegenstand nicht identisch. Die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Untersuchung stellt somit keine neue Begutachtung im Sinne des § 485 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ZPO dar, gegen deren Ablehnung kein Rechtsmittel gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - VI ZB 59/09 -, juris Rn. 5 ff.).
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
a. Das Landgericht hat die von der Antragsgegnerin zu 3 beantragte Beweisanordnung zur Klärung der Frage, ob in der Bodenplatte Risse vorhanden sind, zutreffend als Gegenantrag und nicht als bloße Ergänzungsfrage qualifiziert. Wie bereits ausgeführt, ist der Untersuchungsgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gemäß den Beweisanträgen der Antragsteller auf die Klärung der Ursachen und der Verantwortlichkeit für den Wasserschad...