Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Beiordnung eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

In Anwaltsprozessen kann ergänzend zur bereits früher bewilligten Prozesskostenhilfe auch nach Abschluss der Instanz und auch nach formell rechtskräftiger, auf § 121 Abs. 3 ZPO gestützter Ablehnung der Anwaltsbeiordnung der in der Hauptsache tätig gewesene Prozessbevollmächtigte rückwirkend beigeordnet werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 119, 121

 

Verfahrensgang

AG Bruchsal (Beschluss vom 30.07.2007; Aktenzeichen 1 F 229/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird ihm in Abänderung des Beschlusses des AG - FamG - Bruchsal vom 30.7.2007 - 1 F 229/05 - mit Wirkung ab 22.5.2007 für die erste Instanz Rechtsanwältin Freudrich zu den Bedingungen eines am Sitz des AG Bruchsal ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

 

Gründe

I. Dem Antragsgegner wurde mit Beschluss des AG Bruchsal vom 3.11.2006 ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Ehesache (Scheidungsverfahren auf Antrag beider Ehegatten) nebst Folgesache Versorgungsausgleich (§ 624 Abs. 2 ZPO) bewilligt. In diesem Beschluss hat das AG die Beiordnung der im Bezirk des AG und LG Heilbronn ansässigen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners unter Hinweis auf § 121 Abs. 3 ZPO abgelehnt. Es hat zugleich darauf hingewiesen, dass ggf. ein Verzicht hinsichtlich der Mehrkosten des auswärtigen Rechtsanwalts erklärt werden möge. Gegen diesen Beschluss wurde zunächst kein Rechtsmittel eingelegt.

Nach Abschluss der Instanz durch Urteil vom 22.5.2007 hat der Antragsgegner erneut die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt. Das AG hat dies mit Beschluss vom 30.7.2007 abgelehnt, weil die Beiordnung nach Beendigung der Instanz nicht mehr möglich sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der weiterhin die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten erstrebt. Seine Prozessbevollmächtigte hat inzwischen ausdrücklich auf die Vergütung von Mehrkosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO verzichtet. Der Antragsgegner macht geltend, eine derartige Erklärung sei von vornherein stillschweigend abgegeben gewesen. Gegen den Beschluss des AG vom 3.11.2006 sei kein Rechtsmittel eingelegt worden, weil die Zurückweisung des Beiordnungsantrags übersehen worden sei.

II. Die gem. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

Grundsätzlich hat der Antragsgegner auf Grund der bewilligten Prozesskostenhilfe einen Anspruch auf Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten gem. § 121 Abs. 1 ZPO. Denn im Hauptsacheverfahren - einer Ehesache - war eine anwaltliche Vertretung obligatorisch (§ 78 Abs. 2 BGB). In Anwaltsprozessen hat die Beiordnung gem. § 121 Abs. 1 ZPO von Amts zu geschehen, eines besonderen Antrags bedurfte es nicht (OLG München FamRZ 2002, 1196; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 121 Rz. 3; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 528; die von Musielak/Fischer, ZPO, 5. Aufl., § 121 Rz. 5 zitierte Entscheidung des VGH BW, JurBüro 1989, 124 betrifft die Beiordnung in Verfahren ohne Anwaltszwang). Die nach § 121 Abs. 1 ZPO erforderliche Benennung des Anwalts seiner Wahl war stillschweigend durch das Auftreten der von ihm bevollmächtigten Rechtsanwältin im Verfahren erfolgt.

Allerdings kann gem. § 121 Abs. 3 ZPO die Beiordnung nur eingeschränkt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgen. Die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners befindet sich im benachbarten Amts- und Landgerichtsbezirk Heilbronn. "Besondere Umstände" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO, die u.U. auch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten rechtfertigen würden (vgl. BGH FamRZ 2004, 1362), liegen nicht vor; insbesondere befindet sich die Kanzlei nicht am Wohnort des Antragsgegners.

Mit der eingeschränkten Beiordnung hat sich die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners im Rahmen der Beschwerdeschrift vom 2.8.2007 ausdrücklich einverstanden erklärt; im Übrigen hätte es einer solchen ausdrücklichen Erklärung auch nicht bedurft (BGH FamRZ 2007, 37).

Dass das AG im Rahmen des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 3.11.2006 die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners ausdrücklich gem. § 121 Abs. 3 ZPO abgelehnt hat, schadet nicht. Ablehnende Prozesskostenhilfebeschlüsse erwachsen nicht in materielle Rechtskraft, so dass spätere abweichende Entscheidungen nicht ausgeschlossen sind (Zöller/Philippi, § 127 Rz. 43).

Ebenfalls steht nicht entgegen, dass zwischenzeitlich durch das Urteil vom 22.5.2007 die Instanz beendet ist. Allerdings ist grundsätzlich nach Abschluss der Instanz eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (Zöller/Philippi, § 117 Rz. 2b). Denn nach Abschluss der Instanz findet eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung, die die Prozesskostenhilfe ermöglichen soll, nicht mehr statt. Dieser Grundsatz steht aber in Anwaltsprozessen gem. § 78 ZPO der rückwirkenden Beiordnung des in der Hauptsache bereits tätig gewesenen Prozessbevollmächt...

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