Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollziehung der durch Urteil erlassenen Unterlassungsverfügung bei gescheiterter Zustellung von Anwalt zu Anwalt
Leitsatz (amtlich)
Ist der Versuch, eine durch Urteil erlassene einstweilige Unterlassungsverfügung von Anwalt zu Anwalt zuzustellen (§ 195 ZPO), an der verweigerten Rückgabe des Empfangsbekenntnisses durch den bestellten Prozessvertreter des Verfügungsbeklagten gescheitert, liegt keine vollendete und damit wirksame Vollziehung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO vor.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 19.01.2016; Aktenzeichen 13 O 118/15 KfH) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Karlsruhe vom 29.01.2016 (Az. 13 O 118/15 KfH) wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00 einstweilen eingestellt. Der weiter gehende Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das LG die Verfügungsbeklagte (nachstehend: Beklagte) im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel und unter Zurückweisung des weiter gehenden Verfügungsantrags verurteilt, es zu unterlassen, selbst oder durch Dritte Kundendaten (Personen- und/oder Vertragsdaten) von Kunden an Dritte, insbesondere selbständige Versicherungsvertreter, zu Werbezwecken weiterzuleiten, zur Verfügung zu stellen, Einblick zu gewähren oder auf sonstige Weise zugänglich zu machen und/oder dies auch nur anzukündigen, sofern sie [gemeint: die Kunden] der Datenübertragung nicht innerhalb von zwei Wochen widersprechen, insbesondere wenn dies geschieht wie im Falle [zweier namentlich genannter Kunden], es sei denn, der Kunde hat in die Datenübermittlung eingewilligt.
Mit Schreiben vom 19.02.2016 übermittelten die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin (nachstehend: Klägerin) an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum Zwecke der Vollziehung der einstweiligen Verfügung und zum Zwecke der Zustellung von Anwalt zu Anwalt eine Ausfertigung und beglaubigte Kopien der Ausfertigung des angefochtenen Urteils und baten,
"das Empfangsbekenntnis zu unterzeichnen und die mit der Zustellbescheinigung verbundene Ausfertigung des Urteils (vorab per Telefax) auf dem Postweg [an die Klägervertreter] zurückzusenden" (Anlage B 1, Hervorhebung im Original) Die Beklagtenvertreter sandten das Empfangsbekenntnis nicht zurück. In einer E-Mail der Klägervertreter vom 24.02.2016, 10.23 Uhr, heißt es:
"...da wir weder auf unser Telefax vom 19.02., noch auf die Zustellung per Einschreiben vom 22.02.2016 das erbetene Empfangsbekenntnis zurückerhalten haben, werden wir davon ausgehen müssen, dass Sie nicht zustellungsbevollmächtigt sind und - mit entsprechenden Mehrkosten - die Zustellung per Gerichtsvollzieher an Ihre Mandantschaft bewirken, sofern wir nicht bis heute 14.00 Uhr doch noch Nachricht von Ihnen erhalten, dass Sie zustellungsbevollmächtigt sind und die einstweilige Verfügung (Urteil des LG Karlsruhe vom 29.01.2016, Az. 13 O 118/15 KfH) wirksam vollzogen wurde."
Mit Telefax-Schreiben vom selben Tage (24.02.2016) erklärten die Beklagtenvertreter gegenüber den Klägervertretern:
"...in dieser Angelegenheit vertreten wir bekanntlich die vier Antragsgegnerinnen. Wir teilen namens und im Auftrag sämtlicher Antragsgegnerinnen mit, dass nicht beabsichtigt ist, die Abschlusserklärung abzugeben. Die Versendung eines Abschlussschreibens ist daher nicht angezeigt. An einer Zustellung des Urteils von Anwalt zu Anwalt wirken wir nicht mit."
Daraufhin ließ die Klägerin das angefochtene Urteil durch den Gerichtsvollzieher an die Beklagten selbst, nicht aber an die Beklagtenvertreter zustellen.
Die Beklagten, die die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil beantragen, sind der Auffassung, die Urteilsverfügung sei bei dieser Sachlage nicht wirksam vollzogen worden. Darin liege ein anerkannter Ausnahmefall, in dem die Zwangsvollstreckung aus einem im Eilverfahren erlassenen Unterlassungstitel einstweilen eingestellt werden könne.
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag unter Hinweis darauf entgegen, dass es sich nicht um eine Beschlussverfügung, sondern um eine Urteilsverfügung handelt; diese müsse nicht zwingend im Parteibetrieb zugestellt werden. Es sei ausreichend, dass der Verfügungskläger innerhalb der Vollziehungsfrist seinen Willen äußere, von der einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen.
II. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO ist überwiegend begründet.
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Unterlassungsverfügung ist nicht schlechthin ausgeschlossen. Nach § 936 ZPO finden auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren die Arrestvorschriften Anwendung, soweit nicht die §§ 937 ff. ZPO abweichende Vorschriften enthalten. Da letzteres nicht der Fall ist, ist die Gewährung von einstweiligem Vollstreckungsschutz gemäß