Leitsatz (amtlich)
Zum FRAND-Einwand bei Lizenzbereitschaft des Lieferanten/Herstellers.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 10.03.2015; Aktenzeichen 2 O 103/14) |
Tenor
1. Die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des LG Mannheim vom 10.3.2015 - Az. 2 O 103/14 - wird gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000.000 EUR vorläufig eingestellt, soweit sie sich gegen Mobiltelefone richtet, die die Kennzeichen des Unternehmens ... (Streithelferin zu 2) tragen oder von diesem Unternehmen stammen.
2. Der Antrag der Streithelferin zu 1 auf Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine in der Rechtsform einer GmbH organisierte Patentverwertungsgesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz und Geschäftsräumen in ..., ist seit 28.8.2014 als Inhaberin des Europäischen Patents EP 1 125 276 B1 (nachfolgend: Klagepatent) eingetragen, welches ein Verfahren und eine Vorrichtung zur adaptiven bandbreitenabhängigen Grundfrequenzsuche für die Codierung breitbandiger Signale betrifft. Die Erteilung des am 27.10.1999 angemeldeten Patents wurde am 6.8.2003 veröffentlicht. Es nimmt die Priorität vom 27.10.1998 der kanadischen Schrift CA 2,252,170 (Anlage B16, nachfolgend: CA 170) in Anspruch. Das Klagepatent ist Gegenstand mehrerer Nichtigkeitsklagen.
Die Beklagte ist ein großes deutsches Telekommunikationsunternehmen und vertreibt Mobiltelefone, bei deren Betrieb der Standard AMR-WB 3GPP TS 26.190V11.0.0 verwirklicht wird (Anlage WKS 1, nachfolgend: "Standard"). Solche Mobiltelefone bezieht sie u.a. von den Streithelferinnen. Die Festsetzung des Standards durch das European Standards Telecommunications Institute (ETSI) erfolgte am 10.4.2001. Die Klägerin ist der Auffassung, Geräte die den Standard erfüllen, machten von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie hat die Beklagte mit der Klage u.a. auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Der hier interessierende Teil des Standards geht auf einen Vorschlag der Fa. N. zurück. Die Anmelderin des Klagepatents, die V., wurde erst im Jahr 2004 Mitglied bei ETSI und war daher auch nicht am Standardisierungsverfahren beteiligt. Von der Anmeldung des Klagepatents hatte die ETSI bei der Festsetzung des Standards keine Kenntnis, die Offenlegung gegenüber ETSI erfolgte erst am 29.5.2001 (vgl. AS I 708). Nach der Festsetzung des Standards erklärte sich die V. mehrfach bereit, an dem Klagepatent zu FRAND-Bedingungen (FRAND = fair, reasonable and non-discriminatory) eine Lizenz zu erteilen, so durch Schreiben vom 31.7.2014 gegenüber der Beklagten. Die Beklagte hat - im Gegensatz zu einzelnen Herstellern - bislang kein Interesse an einer Lizenz am Klagepatent gezeigt.
Vor Klageerhebung hat die Klägerin keinen Kontakt zur Streithelferin zu 2 aufgenommen. Nach der Streitverkündung durch die Beklagte wandte sich die Streithelferin zu 2 mit dem als Anlage HL (A) 20 vorgelegten Schreiben vom 9.12.2014 an die Klägerin. Daraufhin übersandte die Klägerin der Streithelferin zu 2 eine Geheimhaltungserklärung mit der Aufforderung, diese Erklärung als Vorbedingung weiterer Gespräche zu unterzeichnen. Die Streithelferin zu 2 hat diese Geheimhaltungserklärung umgehend unterzeichnet und an die Klägerin zurückgesandt. Mit Schreiben vom 23.2.2015 (Anlage HL (A) 24) unterbreitete die Streithelferin zu 2 der Klägerin einen abgeänderten Vorschlag zur Aufnahme von Verhandlungen. Die Klägerin unterbreitete der Streithelferin zu 2 am 25.3.2015 ein neues Angebot, das die Streithelferin zu 2 abgelehnt hat. Dieses Angebot wiederholte die Klägerin mit E-Mail vom 25.3.2015 erneut. Dieses ist Anlage WB (A) 4 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 6.3.2014 (Anlage FBD 8) richtete die Europäische Kommission unter dem Betreff "CASE AT. 40271 -... - Enforcement of standard essential patents Request for information" Auskunftsverlangen u.a. an die Klägerin, die Beklagte und an die Streithelferin zu 2. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage FBD 8 Bezug genommen. Davon ist das LG nach Schluss der mündlichen Verhandlung in Kenntnis gesetzt worden.
Das LG hat - nach Abtrennung der weiter geltend gemachten Ansprüche- dem Unterlassungsantrag der Klägerin stattgegeben. Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Die angegriffenen Ausführungsformen machten von den Ansprüchen 1, 10 und 37 des Klagepatents wortsinngemäßen und von Anspruch 10 mittelbar wortsinngemäßen Gebrauch. Die Beklagte sei nicht zu Verhandlungen über eine Lizenz bereit. Der Klage sei auch nicht deshalb der Erfolg versagt, weil sich einzelne Streithelferinnen unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Generalanwalts (in der Rechtssache C-170/13 vor dem EuGH) möglicherweise darauf berufen könnten, dass die Klägerin ihnen gegenüber einen Unterlassungsanspruch nicht gerichtlich geltend machen dürfe, weil sie - obwohl sie objektiv bereit, willens und fähig seien, einen Vertrag über eine solche Lizenz zu schließen - vor der gerichtlichen Geltendmachung nicht umfassend von der infrage stehenden Verletzung unterrichtet worden seien und auch kein schriftliches L...