Leitsatz (amtlich)
Wird dem Prozessbevollmächtigten die Sache zur Vorfrist eines beabsichtigten Rechtsmittels vorgelegt, hat er in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde. Unterlässt er diese Prüfung kann seinem Mandanten keine Wiedereinsetzung gewährt werden (§ 85 II ZPO).
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin, ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG – FamG – … vom 4.10.2002 (…) wird als unzulässig verworfen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.266 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Schlussurteil des FamG vom 4.10.2002, mit dem ihre Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt teilweise abgewiesen wurde. Das auf die mündliche Verhandlung vom 24.9.2002 ergangene Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9.10.2002 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 11.11.2002, beim OLG per Telefax eingegangen noch am gleichen Tag, hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Mit Verfügung vom 13.12.2002 hat der erkennende Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bis 9.12.2002 eingereicht wurde. Mit Schriftsatz vom 23.12.2002, beim OLG eingegangen wiederum per Telefax noch am gleichen Tag, hat die Klägerin schließlich die Berufungsbegründungsschrift eingereicht und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trägt die Klägerin vor, die Überwachung von Fristen sei im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten so organisiert, dass die Eingangspost vor der Vorlage an die Rechtsanwältinnen von einer geschulten Mitarbeiterin kontrolliert werde. Diese trage Rechtsmittelfristen und sonstige Fristen in einen zentralen Termin- und Fristenkalender der Kanzlei ein und trage zusätzlich auch noch eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist ein, dies mit einem Hinweis, um welche Art Frist es sich handle. An jedem Arbeitstag werde morgens eine Kontrolle der ablaufenden Fristen im Kalender durchgeführt und es würden die jeweiligen Akten der Sachbearbeiterin mit einem entspr. Vermerk (z.B. „Berufungsfrist” vorgelegt). Vor Büroschluss werde noch einmal im Kalender kontrolliert, ob alle anstehenden Fristen erledigt seien. Gestrichen würden die Fristen, sobald das entspr. Schriftstück versandfertig gemacht bzw. ggf. bereits per Telefax verschickt worden sei. Für die Fristenkontrolle sei bis zum 30.11.2002 im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die dort seit Juli 1983 beschäftigte Frau zuständig gewesen, die sich seit Anfang Dezember 2002 im Mutterschaftsurlaub befinde. Frau sei ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin und seit über 15 Jahren im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten u.a. mit der Kontrolle der Eingangspost und der Überwachung der Fristen betraut. Es handle sich um eine erfahrene und äußerst zuverlässige Mitarbeiterin. Im vorliegenden Fall habe diese beim Eingang des Amtsgerichtsurteils den Ablauf der Berufungsfrist korrekt für Montag, den 11.11.2002 im Terminkalender notiert. Wegen des Wochenendes (9./10.11.2002) sei die Berufungsfrist erst am Montag, den 11.11.2002 abgelaufen. Statt jedoch den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gem. § 520 Abs. 2 ZPO auf den 9.12.2002 einzutragen, habe die Mitarbeiterin versehentlich die Berufungsbegründungsfrist auf den 11.12.2002 eingetragen, also nicht zwei Monate nach Eingang des Urteils, sondern einen Monat nach Ablauf der Berufungsfrist. Als die Handakte ihrer Prozessbevollmächtigten dann am 4.12.2002 im Hinblick auf den Ablauf der Vorfrist für die Anfertigung der Berufungsbegründung vorgelegt worden sei, habe diese Anweisung gegeben, die Akte noch einmal in den Aktenschrank zu legen, weil ein für die Berufungsbegründung erforderliches Schriftstück noch nicht vorgelegen habe. Am 11.12.2002 sei die Akte erneut ihrer Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden mit dem Hinweis auf die vermeintlich ablaufende Berufungsbegründungsfrist. Als sich ihre Prozessbevollmächtigte dann an diesem Tag an die Anfertigung der Berufungsbegründung gemacht habe, habe sie selbst noch einmal die Berechnung der Frist kontrolliert und festgestellt, dass die Berufungsbegründungsfrist bereits am Montag, den 9.12.2002 abgelaufen gewesen sei.
Der Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin entgegengetreten. Er ist der Meinung, die Fristversäumung sei nicht unverschuldet erfolgt, denn selbst wenn die Mitarbeiterin, die im Büro der Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Fristenkontrolle zuständig gewesen sei, den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist falsch eingetragen haben sollte, könne dies die Prozessbevollmächtigte der Klägerin schon allein deshalb nicht entlasten, weil ihr – dem eigenen Vortrag zu Folge – die Akte bereits am 4.1...