Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG zählt auch das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers. Entfällt ein zunächst vorhandenes Rechtsschutzbedürfnis vor Ergehen einer Beschwerdeentscheidung, ist die Beschleunigungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen (prozessuale Überholung bzw. Erledigung der Hauptsache).
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers im Beschleunigungsrüge- und -beschwerdeverfahren nach §§ 155b, 155c FamFG besteht nur, solange das Bezugsverfahren nicht - in der jeweiligen Instanz - abgeschlossen ist.
3. § 62 FamFG findet im Verfahren nach § 155c FamFG keine Anwendung.
Verfahrensgang
AG Singen (Entscheidung vom 24.08.2017; Aktenzeichen 4 F 352/17) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Eltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Singen vom 24.08.2017 (4 F 352/17) wird verworfen.
2. Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 750,00 EUR.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob das Amtsgericht in einem Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Entziehung der elterliche Sorge dem Vorrangs- und Beschleunigungsgebot nach § 155 FamFG Genüge getan hat.
Die Beschwerdeführer sind miteinander verheiratet, sie sind die Eltern der vier Kinder ... (... Jahre), ... (... Jahre), ... (... Jahre) und ... (... Jahr). ..., ... und ... wurden am 17.07.2017 vom Jugendamt des Landkreises ... gegen den Willen der Eltern in Obhut genommen; hinsichtlich des jüngsten, noch gestillten Sohnes ... wurde die Inobhutnahme trotz einer nach Einschätzung des Jugendamts auch hier bestehenden Gefährdung zunächst nicht vollzogen. Mit Telefaxschreiben von gleichen Tag teilte das Jugendamt dem Amtsgericht den Sachverhalt mit; es bestehe der Verdacht, dass die Eltern die Kinder körperlich misshandelt hätten. Nach telefonischer Rückfrage beim Jugendamt entzog das Amtsgericht den Eltern mit Beschluss vom 28.07.2017 im Wege der einstweiligen Anordnung (4 F 352/17) vorläufig die elterliche Sorge für alle vier Kinder, setzte das Jugendamt als Vormund ein und ordnete die Herausgabe der Kinder an den Vormund an. Die Mutter begab sich in der Folge mit ... an einen unbekannten Ort. ... konnte erst im Zusammenhang mit einer Polizeikontrolle auf der Autobahn am 30.09.2017 in Obhut genommen werden.
Im zugleich mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eingeleiteten Hauptsacheverfahren (4 F 349/17) wurde mit Beschluss vom 18.07.2017 Frau ... zur Verfahrensbeiständin bestellt. Das Amtsgericht wies die Beteiligten darauf hin, dass eine Terminierung erfolge, sobald ein abschließender Bericht der Verfahrensbeiständin vorliege. Für den Bericht wurde eine Frist von sechs Wochen gesetzt.
Am 21.07.2017 beantragten die anwaltlich vertretenen Eltern, die einstweilige Anordnung - hilfsweise nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - aufzuheben. Mit Verfügung vom 01.08.2017 bestimmte das Amtsgericht Termin zur Anhörung im einstweiligen Anordnungsverfahren auf den 28.08.2017.
Mit Schreiben vom 15.08.2017 berichtete die Verfahrensbeiständin im Hauptsacheverfahren, sie habe von den Kindern bislang nur ... persönlich sprechen können, da ... und ... sich mit ihrer Wohngruppe auf einer Ferienfreizeit befänden. Zudem habe sie mit ...' Pflegefamilie gesprochen, einen Hausbesuch beim Vater gemacht und mit den Wohngruppen der älteren Kindern telefoniert. Den Kindergarten und den Kinderarzt habe sie wegen deren urlaubsbedingten Abwesenheit noch nicht aufsuchen können. Da sie - die Verfahrensbeiständin - erst nach der Rückkehr aus ihrem Urlaub ab der 38. Kalenderwoche Rücksprache mit Kindergarten und Kinderarzt halten sowie in Absprache mit der ebenfalls ermittelnden Polizei mit den älteren Kindern sprechen könne, mache ihrer Ansicht nach eine Anhörung zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn.
Mit Verfügung vom 17.08.2017 hob das Amtsgericht den Anhörungstermin vom 28.08.2017 unter Verweis auf den Bericht der Verfahrensbeiständin auf. Mit Schriftsatz vom 23.08.2017 erhoben die Eltern eine Beschleunigungsrüge. Schon der Termin am 28.08.2017 habe außerhalb der Monatsfrist nach § 155 FamFG gelegen. Sodann sei der Termin aufgehoben worden, ohne dass zwingende Gründe im Sinne der Vorschrift vorgelegen hätten. Mit Beschluss vom 24.08.2017 entschied das Amtsgericht, der Beschleunigungsrüge werde nicht abgeholfen. Vor dem Hintergrund der noch laufenden und umfangreichen Ermittlungen erscheine eine Verhandlung am 28.08.2017 nicht zielführend. Die Verfahrensbeiständin solle an der Anhörung beteiligt werden, sei jedoch vom 18.08. bis 17.09.2017 im Urlaub. Etwaige Absprachen über Alternativen zur Inobhutnahme setzten eine sichere Faktenlage voraus. Im Hinblick auf den sich an den Urlaub der Verfahrensbeiständin anschließenden Jahresurlaub der zuständigen Richterin sei der 16.10.2017 der frühestmögliche Verhandlungstermin.