Leitsatz (amtlich)
Die Berücksichtigung eines Mitverschulden gem. § 254 BGB durch das Zivilgericht ist regelmäßig gem. §§ 406 Abs. 3 S. 1 StPO, 318 ZPO nicht mehr zulässig, wenn das Strafgericht im rechtskräftig abgeschlossenen Adhäsionsverfahren die Haftung dem Grunde nach bejaht hat und auf die Frage eines mitwirkenden Verschuldens überhaupt nicht eingegangen ist.
Normenkette
StPO § 406 Abs. 3 S. 1; ZPO § 318; BGB § 254
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Beschluss vom 25.03.2011; Aktenzeichen 3 O 25/11) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 2.5.2011 wird der Beschluss des LG Heidelberg vom 25.3.2011 - 3 O 25/11 - in der Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 4.5.2011 unter Aufrechterhaltung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe aus einem Streitwert i.H.v. 50.000 EUR bewilligt wird.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 50.000 EUR. Die Antragsgegner wurden durch Urteil des AG Heidelberg vom 14.6.2010 (Beiakten, AS 897-935), bzgl. des Antragsgegners zu 1 rechtskräftig seit dem 22.6.2010 und bezüglich des Antragsgegners zu 2 seit dem 18.11.2010 nach Maßgabe des Urteils des LG Heidelberg vom 18.11.2010 (Beiakten, AS 1149-1167) rechtskräftig wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung u.a. zum Nachteil des Antragstellers verurteilt. Zugleich stellte das AG im Adhäsionsverfahren gem. §§ 403 ff. StPO fest, dass die Antragsgegner als Gesamtschuldner dem Grunde nach verpflichtet seien, dem Antragsteller Schadensersatz zu leisten und ihm ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Der Antragsteller wurde bei der Tat schwer verletzt, insbesondere konnte auch durch mehrere Operationen ein Sehverlust auf dem rechten Auge - allenfalls noch 8 % der normalen Sehschärfe - nicht vermieden werden und besteht die Gefahr einer Verschlechterung durch Überbeanspruchung des gesunden linken Auges. Den gelernten Beruf des Konstruktionsmechanikers kann er nicht mehr ausüben, seine gegenwärtige Tätigkeit als Maschinenbediener nur noch eingeschränkt. Er wird auf Grund des Vorfalls wegen schwerer Depressionen nervenärztlich behandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die beigezogenen Akten des AG Heidelberg - 6 Ls 38 JS. - verwiesen.
II. Die statthafte und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg bezüglich der beabsichtigten Schmerzensgeldklage aus einem Streitwert i.H.v. 50.000 EUR, § 114 ZPO.
1. Der Ansatz eines Mitverschuldens gem. § 254 BGB zu Lasten des Antragstellers kommt hier - worauf der Antragsteller der Sache nach zutreffend in seiner sofortigen Beschwerde hinweist - wegen der Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung des Strafgerichts im Adhäsionsverfahren gem. §§ 406 Abs. 3 S. 1 StPO, 318 ZPO nicht in Betracht. Das Strafgericht hat dort ein Mitverschulden verneint. Ob dies zutrifft, unterliegt nicht mehr der Beurteilung der Zivilgerichte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob - wie nach Auffassung des LG - die konkreten Tatumstände ein Mitverschulden des Antragstellers begründen.
a) Nach § 406 Abs. 1 S. 2 ZPO kann das Gericht, vor dem im Strafverfahren ein aus der Tat erwachsener vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird (Adhäsionsverfahren), die Entscheidung auf den Grund des Anspruchs beschränken, also - wie im Zivilprozess (§ 304 ZPO) - ein Grundurteil erlassen. Das gilt ohne weiteres auch für Schmerzensgeldansprüche (BGH NJW 2002, 3560 f., juris Tz. 4; NJW 1999, 437 f., juris Tz. 4).
Das Schmerzensgeld ist grundsätzlich nach Billigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen. Nach der hierfür maßgeblichen Regelung des § 253 Abs. 2 BGB, ist grundsätzlich im Rahmen der Entschädigungsfestsetzung ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten zu berücksichtigen. Eine Quotierung hat dabei grundsätzlich nicht zu erfolgen, weil der Aspekt eines etwaigen Mitverschuldens lediglich als ein Gesichtspunkt in die umfassende Billigkeitsabwägung einfließt. Eine Ausnahme wird jedoch dann zugelassen, wenn durch Grundurteil entschieden wird. Insbesondere bei der Entscheidung über einen unbezifferten Feststellungsantrag durch Grundurteil darf die Festlegung des Mitverursachungsanteils nicht dem für das Betragsverfahren zuständigen Zivilgericht übertragen werden. Dies gilt namentlich für den Schmerzensgeldanspruch, der in seiner Höhe ganz wesentlich durch die Vorgeschichte der Verletzungshandlung und die Persönlichkeitsstruktur der an der Auseinandersetzung beteiligten Personen beeinflusst wird. Schon aus Gründen der Prozessökonomie wird deshalb die für das Grundurteil notwendige Aufklärung des Tathergangs auc...