Kein Schmerzensgeld für ein 5jähriges Kind nach 28 Tagen Quarantäne
Die Amts- und Landgerichte weisen Klagen auf Schmerzensgeld wegen der Folgen einer coronabedingt angeordneten Quarantäne regelmäßig ab. Wie das LG Düsseldorf nun entschieden hat, besteht ein Schmerzensgeldanspruch auch dann nicht, wenn die Dauer der Quarantäne beträchtlich war.
Dreimal kurz hintereinander Quarantäne angeordnet
Im konkreten Fall hatte die Stadt Neuss in den Monaten März bis Mai 2021 gegen ein damals fünfjähriges Mädchen dreimal jeweils 8-10 Tage - Gesamtdauer 28 Tage - häusliche Quarantäne angeordnet. Grund der Quarantäneanordnung war in allen Fällen ein positives Ergebnis eines im PCR-Verfahren durchgeführten Coronatests eines anderen Kindes aus der Kita. Gegen die Anordnungen der Stadt hatte sich die Familie des Kindes zunächst nicht gewehrt.
Körperliche und psychische Schäden infolge Quarantäne
In der Folgezeit stellten die Eltern bei dem Kind erhebliche psychische Belastungssymptome und auch gesundheitliche Einschränkungen fest. Die Tochter litt unter Schlafstörungen, zeigte nach Beobachtung der Eltern auffällige Verhaltensänderungen wie depressive Verstimmungen. Durch die fehlenden Möglichkeiten, im Freien zu spielen, sei auch die Vitamin-D-Bildung bei ihrer Tochter gestört worden.
Kita-Kind forderte 7.000 Euro Schmerzensgeld
Wegen dieser Schäden forderte das Kind, vertreten durch seine Eltern, die Zahlung eines Betrages in Höhe von mindestens 7.000 Euro Schmerzensgeld - 250 Euro Schmerzensgeld pro Quarantäne-Tag - von der Stadt. Da diese jegliche Zahlung ablehnte, machten die Eltern des Kindes den Schmerzensgeldanspruch gerichtlich anhängig.
Kein Verschulden der Stadt feststellbar
Das Gericht lehnte den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch ab. Ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Zahlung von Schmerzensgeld gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 253 Abs.2 BGB scheiterte nach Auffassung des LG vor allem daran, dass ein schuldhaftes Verhalten der Gemeinde bei Erlass der jeweiligen Quarantäneanordnungen nicht feststellbar sei.
Quarantäneanordnungen waren zur Gefahrenabwehr erforderlich
Die Stadt hat nach der Bewertung des LG bei Erlass ihrer Quarantäneanordnungen keinerlei sachliche oder rechtliche Fehler gemacht. Das Gericht bezweifelte nicht, dass die dreifache Anordnung einer häuslichen Quarantäne in kurzer Zeit für ein 5 Jahre altes Kind und auch für die Familie eine erhebliche Belastung darstellt. Die Anordnung sei aber auf der Grundlage zwingenden Rechts erfolgt und zur Abwendung erheblicher Gefahren für die Gesundheit der übrigen Kinder und des in der Kita beschäftigten Personals erforderlich gewesen.
Anordnung war von Ermächtigungsgrundlage gedeckt
Grundlage der behördlichen Anordnungen sei § 28 Abs. 1 IfSG in Verbindung mit den vom RKI herausgegebenen Quarantäne-Richtlinien gewesen. Danach sei die Behörde berechtigt und verpflichtet gewesen, bei begründetem Verdacht einer Ansteckungsgefahr eine häusliche Quarantäne anzuordnen.
Klägerin war ansteckungsverdächtig
Die Behörde habe das fünfjährige Kind zu Recht als ansteckungsverdächtig eingestuft, nachdem ein anderes Kind in seiner Gruppe positiv mittels PCR-Test auf Corona getestet worden war. Nach den damaligen Einschätzungen des RKI seien Personen als ansteckungsverdächtig einzuordnen, wenn sie über eine Dauer von mehr als 10 Minuten Kontakt zu einer infizierten Person in einem Abstand von weniger als 1,5 m hatten. Diese Voraussetzungen seien bei Kindern innerhalb der gleichen Gruppe einer Kita regelmäßig erfüllt. Vorliegend seien keine Umstände ersichtlich, die auf einen weniger intensiven Kontakt des Kindes zu dem infizierten Kind schließen ließen.
Schmerzensgeldanspruch abgewiesen
Damit bestand nach der Entscheidung des LG kein Amtshaftungsanspruch gegenüber der Stadt Neuss. Das LG hat daher die Schmerzensgeldklage abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann mit der Berufung beim OLG angefochten werden.
(LG Düsseldorf, Urteil v. 18.5.2022, 2b O 100/21)
Hintergrund:
Das Urteil des LG Düsseldorf reiht sich ein in eine Reihe ähnlich lautende Urteile anderer Landgerichte. Bisher haben die Gerichte Schmerzensgeldansprüche wegen erlittener häuslicher Quarantäne sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen abgelehnt.
Auch LG Köln lehnte Schmerzensgeldanspruch bei Kindergartenkind ab
So hat das LG Köln gegenüber einem drei Jahre alten Kindergartenkind nach einer zwölftägigen häuslichen Quarantäne einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber staatlichen Stellen abgelehnt. Auch nach Auffassung des LG Köln sind solche Anordnungen durch das IfSG gedeckt, soweit sie nach Art und Höhe den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Richtlinien des RKI entsprechen (LG Köln, Urteil v. 26.10. 2021, 5 O 117/21).
Auch Schmerzensgeldansprüche Erwachsener haben kaum Chancen
Auch Erwachsene haben bei Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüche wegen erlittener Quarantäne wenig Chancen. Das LG Berlin hat solche Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung gegenüber staatlichen Stellen in einem Fall der Anordnung einer Quarantäne nach Einreise aus einem Hochrisiko-Gebiet abgelehnt. Das LG Berlin sah einen Schmerzensgeldanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung schon deshalb nicht als gegeben an, weil die Kläger des betreffenden Verfahrens nicht mit verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfen gegen die Anordnung der Quarantäne sofort Eilrechtsschutz beim zuständigen Verwaltungsgericht gemäß § 123 VwGO beantragt hatten. Sie hätten damit nichts unternommen, um die von ihnen behaupteten gesundheitlichen und psychischen Nachteile abzuwenden (LG Berlin, Urteil v. 15.3.2022, 26 O 257/21).
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