Leitsatz (amtlich)
1. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Erhebung einer Klage durch den Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) Art. 101 AEUV entgegensteht, ist offen.
2. Ob und unter welchen Voraussetzungen die FRAND-Bereitschaftserklärung des SEP-Inhabers den Schadensersatzanspruch und die begleitende Rechnungslegung auf solche Angaben beschränkt, die für eine FRAND-Lizenzberechnung erforderlich sind, ist ungeklärt.
3. Hinsichtlich der Namen und Anschriften der nichtgewerblichen und der gewerblichen Angebotsempfänger ist dem Verletzer regelmäßig ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.
4. Die Verwertung des Klagepatents über einen Patentpool führt nicht per se dazu, dass die nach §§ 719, 707 ZPO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Patentinhabers ausfallen muss.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 7 O 23/14) |
Tenor
1. Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 des Tenors des LG Mannheim vom 04.03.2016 (Az. 7 O 23/14) gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
2. (...)
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Folgen einer von der Klägerin behaupteten Patentverletzung sowie die hieraus resultierenden Ansprüche - nach Ablauf des Patents - auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz.
Die Klägerin ist Inhaberin des am 12.12.1995 unter Inanspruchnahme der Priorität des europäischen Patents 94203642 vom 14.12.1994 angemeldeten europäischen Patents EP O 745 307 B3 betreffend ein Übertragungssystem für Untertitel. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Patents erfolgte am 29.12.1999. Grundlage der vorliegenden Verletzungsklage ist Anspruch 14 des Patents (nachfolgend: Klagepatent), der in der Verfahrenssprache (mit Bezugsziffern) folgenden Wortlaut hat:
A receiver coupled to a display screen for receiving encoded data defining a graphic image in the form of a rectangular region within an area of an active video signal, comprising means for decoding said encoded data into individual pixels constituting said region, means for storing said pixels, and means for generating display signals representing said pixels, characterized by further comprising means for decoding from said encoded data for each graphic image the size and position of said region and a time stamp, and means for displaying the region with said size and position from a time representated by said time stamp.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagepatentschrift, insbesondere wegen der Beschreibung und der Figuren, wird auf die Patentschrift Bezug genommen. Gegen das Klagepatent haben die Firmen A. (Az.: 5 Ni 34/14) sowie H. (Az.: 5 Ni 2/13) Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben.
Mit der Lizenzierung des Klagepatents hat die Klägerin den Patent-Pool "..." (nachfolgend: "P") beauftragt, wobei die Klägerin daneben auch selbst Lizenzen anbietet. P ist ein in K. ansässiges Unternehmen, das neben den Patenten der Klägerin auch Schutzrechte dreier weiterer namhafter Elektronikunternehmen in deren Auftrag verwertet. P bietet seit Oktober 2012 Pool-Lizenzen für die DVD-Softwaretechnologie an.
Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des B-Konzerns und vertreibt Computer, darunter etwa die Modelle "..." und "...", die eine Software beinhalten, die Datenströme mit DVD-standardgemäßen Untertitel-Graphiken decodieren und anzeigen kann. Der DVD-Standard sieht vor, dass mit bestimmten Parametern (SET-DAREA, PTS, SP-DSCQ-STM, FSTA-DSP, STP-DSP) Untertitel-Graphiken hinsichtlich deren Größe und Position auf dem Bildschirm sowie hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Erscheinens gesteuert werden können (angegriffene Ausführungsformen).
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffenen Ausführungsformen von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 14 unmittelbar wortsinngemäßen Gebrauch machen, indem sie gemäß den Vorgaben des DVD-Standards ausgebildet sind.
Im Hinblick auf das Klagepatent gab die Klägerin gegenüber dem so genannten "DVD-Forum", welches den Standard verwaltet und dessen Mitglied die Klägerin ist, jedenfalls nachträglich eine so genannte FRAND-Erklärung ab (Anlage K 20). Ob die Klägerin eine solche Erklärung bereits abgegeben hatte, als sie das Klagepatent als für den Standard essentiell deklarierte, steht zwischen den Parteien im Streit.
Die Klägerin verhandelte mit der Muttergesellschaft der Beklagten über den Abschluss eines Lizenzvertrages. Zuvor hatte der für die Klägerin tätige Lizenzpool P der Konzernmutter der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Poollizenzvertrages unterbreitet, das jene nicht angenommen hatte. P nahm für die Softwarelizenz einen Abschlag von 80 % auf den Standardlizenzsatz für DVD-Player vor und gewährte einen weiteren Abschlag von 30 % für PCs mit vorinstallierter Software. Das Angebot sah eine Rate von USD. vor.
Die Beklagte unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.05.2014 ein Lizenzvertragsangebot (Anlage B&B 11), das sich auf das Klagepatent bezieht und als Lizenzgegenstand solch...