Leitsatz (amtlich)

Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 für eine beabsichtigte Parteierweiterung scheidet aus, wenn nach bereits begonnener Beweisaufnahme eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO in Betracht käme.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Tenor

1. Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Der Gegenstandswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat den Antragsgegner zu 1) wegen behaupteter fehlerhafter Zahnbehandlung auf Schmerzensgeld vor dem LG W. als dem zuständigen Gericht verklagt. Der Antragsgegner zu 2), dessen zuständiges Wohnsitzgericht das LG K. ist, hat die Klägerin im Anschluss daran zahnärztlich nachbehandelt. Nachdem der Antragsgegner im Verfahren gegen den Antragsgegner zu 1) als Zeuge schriftlich gem. § 377 Abs. 3 ZPO vernommen worden war, hat die Klägerin den Antrag auf Bestimmung des LG W. als zuständiges Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt, weil sie nunmehr auch den Antragsgegner zu 2) als Gesamtschuldner mit dem Antragsgegner zu 1) wegen Falschbehandlung in Anspruch nehmen will. Das LG hat nach der schriftlichen Vernehmung des Antragsgegners zu 2) die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet.

Der Antragsgegner zu 1) ist der Gerichtsstandsbestimmung entgegengetreten, weil der Antragsgegner zu 2) durch die Parteierweiterung als Zeuge ausgeschieden werden solle. Der Antragsgegner zu 2) hat sich mit der begehrten Gerichtsstandsbestimmung einverstanden erklärt.

II. Nach § 36 Abs. 1 S. 1 ZPO ist das OLG Karlsruhe für die Entscheidung zuständig. Die Antragsgegner haben ihren allgemeine Gerichtsstand im Bezirk des OLG Karlsruhe.

III. Der Antrag war zurückzuweisen.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 ZPO erfolgt nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 18, m.w.N.). Dies scheidet nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur in der Regel aus, wenn bereits eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 18; BGH NJW 1978, 321; BayObLGZ 1987, 389). Dabei haben das BayObLG und der BGH (BGH NJW 1978, 321) darauf abgestellt, dass bei einem derart geförderten Verfahren nur noch die Bestimmung des bereits mit der Sache befassten Gerichts in Betracht komme; diese Erwägung ist aber vom BGH in späteren Entscheidungen nicht mehr als stichhaltig angesehen worden (Bornkamm, NJW 1989, 2713, Fn. 46, 111, m.w.N.).

Gleichwohl kommt hier nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und der Prozessökonomie eine Gerichtsstandsbestimmung nicht in Betracht.

Dabei ist zunächst unerheblich, dass der Antragsgegner zu 2) schriftlich erklärt hat, er sei mit der begehrten Gerichtsstandsbestimmung einverstanden. Ohne eine rügelose Einlassung auf die (noch zu erhebende) Klage gegen ihn in der mündlichen Verhandlung entfaltet diese Erklärung keine Bindungswirkung für einen Gerichtsstand im Gerichtsbezirk des LG W. (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 40 Rz. 8). Im Fall aber, dass der Antragsgegner zu 2) sich auf die Klage gegen ihn rügelos einlassen sollte, bedarf es der Gerichtsstandsbestimmung nicht. In diesem Fall wäre es dem LG W. jedoch immer noch unbenommen, angesichts der bereits durchgeführten Beweisaufnahme aus prozessökonomischen Gesichtspunkten eine Prozessverbindung nach § 145 ZPO abzulehnen und eine Prozesstrennung vorzunehmen. Dies liegt nahe, wenn im Hinblick auf die nachträgliche Parteierweiterung die Wiederholung der bereits erfolgten Beweisaufnahme oder - wie hier - eine umfangreiche Ausdehnung der Beweisaufnahme auf Umstände in Betracht kommt, die für das begonnene Verfahren nicht entscheidungserheblich sind.

Das bestimmte Gericht wäre dann durch die Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ohne einen hinreichenden Grund örtlich zuständig und dem Antragsgegner zu 2) wäre die Möglichkeit genommen, auch im Fall der Prozesstrennung nach § 145 ZPO die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit zu erheben. Da somit der Klägerin für den Fall, dass der Antragsgegner zu 2) sich rügelos einlässt, ein einfacherer Weg als der Gerichtsstandsbestimmung zur Verfügung steht, um das erstrebte Ziel zu erreichen, war angesichts des erreichten Verfahrensstands der Antrag abzulehnen. Auf die Frage, ob der Antrag auch wegen Rechtsmissbrauchs zurückzuweisen wäre, weil damit der Antragsgegner zu 2) als Zeuge im Verfahren gegen den Antragsgegner zu 1) ausgeschieden werden sollte (OLG Celle v. 11.2.2005 - 4 AR 19/05, OLGReport Celle 2005, 212), kommt es damit nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO analog (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 37 Rz. 3), der Gegenstandswert war gem. § 3 ZPO festzusetzen, wobei der Senat 1/5 des Klaginteresses der Antragstellerin angesetzt hat. Diesen hat die Antragstellerin mit insgesamt 25.000 EUR angegeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1439408

Die Justiz 2005, 451

GesR 2006, 33

OLGR-Süd 2006, 29

www.judicialis.de 2005

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